KORNAPFELGRUEN
doch interessanter zu werden, als sie gedacht hätte. Donald war eigentlich ganz nett, warum also nicht?
Sie traten gemeinsam den Rückzug an in den schmalen Gang hinein, der wiederum zu dem Raum mit der Bar führte.
Erst jetzt bemerkte Camilla Jim und Richard, die mit zwei vollen Flaschen Heineken in Händen hinter ihnen gestanden hatten. Die beiden traten jetzt zur Seite, um Camilla und Donald passieren zu lassen.
Richard sagte eben zu Jim: „Also, wenn du mich fragst, ich würde sagen, der Song eben war reinste Pornografie.“
„Der Song war toll, ungeheuer erotisch und anregend“, sagte Camilla im Vorbeigehen und lachte Richard an.
Der starrte pikiert zurück. „Wer ist überhaupt der Kerl?“ fragte er, während er gleichzeitig reichlich unhöflich mit dem Zeigefinger andeutete, wen er meinte. (Als ob das nötig gewesen wäre!)
„Das ist Donald!“ rief sie fröhlich, „Donald, das ist mein Mann Richard.“
„Hi! Nice to meet you, Richard!“ rief Donald heiter im Vorbeigehen.
Richard gab erst gar keine Antwort.
An der Bar fanden sie zwei freie Hocker, und Donald orderte auf Camillas Bitte hin ebenfalls Heineken.
Teddy Homer hockte derweil auf dem Tresen und sah dem Treiben zu.
„Well, Camilla! Die Kids stellen sich also vor, dass unser lieber Homer hier von netten und hilfsbereiten Mitmenschen in Flugzeugen oder auf Schiffen und natürlich auch in Autos oder sonstigen Fahrzeugen mitgenommen wird rund um die Welt. Jeder seiner Gastgeber soll ihn dann, wenn er selbst am Ziel ist, weiterreichen an eine andere Person, die gerade im Begriff ist, auf Reisen zu gehen. Und so weiter. Dabei wird Homer zwangsläufig weit und weiter herumkommen und unterwegs so allerhand erleben. Jeder seiner Gastgeber wird deshalb außerdem gebeten, kurz auf einem Zettel die wichtigsten, lustigsten oder auch die traurigsten Ereignisse niederzuschreiben und diesen Zettel in Homers Rucksack zu verstauen. In etwa einem halben Jahr soll der Teddy dann zurückkehren nach Kalifornien. Ich werde mit den Kids hinterher im Unterricht alles auswerten. Jeder einzelne von Homers freundlichen Gastgebern bekommt Post von uns, sofern er seine Adresse auf dem Erlebnis-Zettel mit angibt. Das ist Ehrensache!“ Donald strahlte froh übers ganze Gesicht und nippte an seinem Heineken.
„Eine tolle Idee!“ sagte Camilla aufrichtig, „ehrlich, Donald. Meine Zwillingsschwester Sabina ist Redakteurin eines Frauenmagazins in Germany. Darf ich ihr von der Geschichte erzählen? Sabina wird sicher einen tollen Artikel aus Homers Story machen.“
Donalds Gesicht leuchtete vor Freude auf wie ein Lampion: „Aber das wäre ganz phantastisch! Am Ende wird Teddy Homer noch berühmt. Ich wusste gleich, als ich Sie sah, dass Sie die richtige Person sind, um mit Ihnen den Anfang zu machen, Camilla. Sie nehmen Teddy Homer also mit hinüber nach Germany?“
„Versprochen. Ich kümmere mich um den Teddy. Es ist mir sogar eine Ehre und eine Freude ohnegleichen.“
Donald sprang von seinem Barhocker auf und fiel ihr stürmisch um den Hals.
Er schmatzte ihr je einen Kuß auf die Wangen und jubelte: „Thank you, Darling, thank you!“
Richards Stimme erklang plötzlich schneidend scharf dicht an Camillas linkem Ohr. „Das reicht jetzt. Komm mit, wir gehen!“
Sie blickte überrascht hoch und direkt in sein wütendes Gesicht.
„Ich bleibe noch“, protestierte sie, „mir gefällt es hier.“
„Wie du willst! Und ich nehme mir am besten für die drei letzten Nächte im Hotel ein eigenes Zimmer, meine Liebe!“ - Richard drehte sich auf dem Absatz um und rauschte davon.
Jim schlenderte lässig an Camilla und Donald vorbei, um dem sichtlich wütenden Richard zu folgen. Er grinste Camilla vertraulich zu: „Zuviel Stress in letzter Zeit! Ritschie beruhigt sich schon wieder.“
„Ja, ich weiß! Danke, Jim. Und gute Nacht“, sagte Camilla.
Als sie zwei Stunden später mit Teddy Homer im Arm in das gemeinsame Hotelzimmer zurückkam, waren Richard und sein Koffer tatsächlich verschwunden.
Camilla war nun doch verblüfft, wenn auch nicht wirklich beunruhigt. Verblüfft war sie, weil Richard noch die Energie aufgebracht hatte, mitten in der Nacht seine Sachen zu packen und den Nachtportier zu überzeugen, ihm ein neues Zimmer zu geben. Er musste wirklich wütend gewesen sein. Aber warum bloß?
Seine Laune war zwar schon seit Tagen nicht sonderlich gut gewesen, aber direkt ausgeflippt war er auch nie.
Der Besuch des Nachtclubs heute
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