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Kornmond und Dattelwein

Titel: Kornmond und Dattelwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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sagte, das ist Rauch. Die Felder stehen in Flammen.« Sie ging wieder hinein, setzte sich auf ihr Bett und starrte, unfähig sich zu rühren, die Wand an. Zumindest war Alna in Sicherheit. Das Dorf, zu dem Seb sie gebracht hatte, lag auf der anderen Seite des Flusses. Draußen nahm der Himmel eine eigentümliche rote Färbung an, und das Licht, das ins Zimmer drang, hatte einen rosafarbenen Schimmer. Wie Wein oder Blut. Wie eine Pechsträhne, die nie ihr Ende fand. Lange saß sie da. Endlich streifte sie sich ihr Gewand über und begab sich in die Halle, um auf den ersten laufenden Boten zu warten.
    Er kam kurz vor Einbruch der Dämmerung. Ein junger Mann mit einer bösen Schulterwunde, mehr tot als lebendig, außer Atem und das Gesicht voller Ruß. Als er in die Große Halle geführt wurde, fiel er vor dem Thron auf den Bauch und blieb dort zitternd liegen, vielleicht aus Erschöpfung, vielleicht aber auch aus Furcht. Inanna hatte Mitleid mit dem Jungen, mit sich selbst und mit der Stadt. Sie glaubte zu wissen, welche Nachricht ihr der Bote überbringen wollte.
    »Von wo bist du gekommen?«
    »Aus dem Dorf Shubur.« Der Junge richtete sich etwas auf und kniete jetzt vor ihr. Er wischte sich mit dem Arm über die Stirn und warf ängstliche Blicke auf die gepanzerten Gefährtinnen der Königin.
    »Du brauchst nichts zu fürchten. Niemand will dir ein Leid antun. Und nun berichte, was du mitzuteilen hast.«
    Der Junge sah sie traurig an, öffnete den Mund, um etwas zu sagen, und brach in Tränen aus. »Die Wilden haben alles niedergebrannt.« Wütend wischte er sich mit den Fäusten die Tränen aus den Augen. Er war noch so jung, elf oder zwölf vielleicht, im Grunde noch ein Kind. »Wie Hunde sind sie über meine Mutter und meine Großmutter hergefallen, haben es zu mehreren mit ihnen getrieben und sie dann umgebracht. Dann haben sie auch alle meine Onkel getötet und sogar meine kleine Schwester, die noch ein Baby ist. Ich habe gesehen, wie sie sie gegen eine Wand geworfen haben, bis das Gehirn herausspritzte. Meine Onkel und ich haben versucht, sie abzuwehren, aber sie waren zu viele.« Der Junge faßte sich etwas. Keine Tränen liefen ihm mehr über die Wangen. »Die Wilden haben unser Haus und unsere Felder in Brand gesteckt und sind dann weitergezogen. Ich habe mich in einem leeren Graben versteckt, bis sie fort waren. Danach bin ich dorthin zurückgekehrt, wo einst unser Haus gestanden hat. Meine Mutter lebte noch, aber ihre ganze Haut war verbrannt, so daß man die Knochen sehen konnte, und ...« Der Junge hielt inne und beendete dann rasch seinen Bericht. »Sie sagte mir, ich solle zur Königin eilen und ihr mitteilen, was unserer Familie zugestoßen ist.«
    »Das war klug von deiner Mutter.«
    »Sie sagte auch, ich solle nicht vergessen zu erzählen, daß die Wilden mit ihren Frauen und Kindern gekommen waren. Sie erklärte: ›Sag der Königin, daß es sich nicht nur um einen Raubzug der Wilden gehandelt hat'.«
    »Und wie haben diese Wilden ausgesehen?«
    »Klein und häßlich.«
    »Mit schwarzen Haaren?«
    »Nein, rote Haare. Sie waren in Tierfelle gekleidet, und einige von ihnen trugen Ketten mit Menschenzähnen um den Hals.« Während der ganzen Nacht und auch noch am nächsten Tag kamen Läufer in die Stadt und hatten alle die gleiche Geschichte zu erzählen: eine ganze Familie ausgelöscht, Häuser und Felder in Brand gesteckt. Die Wilden schienen in kleineren Gruppen aus dem Vorgebirge zu kommen. Oft genug waren die Dörfler stark genug, den Angriff abzuwehren, aber leider nicht immer. Der interessanteste Bericht stammte von einem alten Mann aus einem entlegenen Dorf namens Kardam, der auf einer Trage in die Große Halle gebracht wurde.
    »Ich habe einige Zeit lang die Göttin mit einer Wilden geehrt«, erklärte der Alte Inanna. Sein Gesicht war grau vor Erschöpfung, und er hatte einen merkwürdigen Schimmer in den Augen, so als habe er in seinem Leben zuviel gesehen.
    »Warum belästigst du die Königin mit so etwas?« fuhr ihn eine der Gefährtinnen an. Sie betrachtete den Alten voller Abscheu.
    Der Mann seufzte geduldig. »Weil ich etwas von ihrer Sprache erlernt habe, deshalb«, sagte er. »Als wir entdeckten, daß die Wilden uns angriffen, hat meine Nichte mich auf dem Boden unter dem Heu versteckt, und etwas später wurde ich Zeuge, wie sich einige der Wilden miteinander unterhalten haben.«
    »Und was haben sie gesagt?« fragte Inanna.
    »Sie klagten, daß sie von ihrem Land vertrieben worden

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