Korona
angerannt und scharten sich um die Krankenbahre. Ihre Reaktionen reichten von sprachlosem Entsetzen bis hin zu angewidertem Staunen. Herbert kam zurück und brachte ein verschraubbares Glas, in dem Spritzen oder etwas Ähnliches aufbewahrt worden waren. »Hier«, keuchte er. »Ich hab nichts Besseres gefunden.«
»Das muss reichen.« Stewart hoffte, dass ihm kein Irrtum unterlief. Dieses Rankengewächs schien erstaunlich widerstandsfähig zu sein.
Er stopfte es in das gläserne Gefängnis und schraubte den Metalldeckel darauf. Die Ranke zuckte und kroch die Glaswand hinauf, schaffte es aber nicht, ihrem Behältnis Schaden zuzufügen. Nach einer Weile wurde sie ruhiger.
Still und unscheinbar lag sie da, wie eine x-beliebige Wurzel.
Stewart wischte den Schweiß von seiner Stirn. »Heiliger Strohsack«, stöhnte er. »Was in Gottes Namen haben wir denn da entdeckt?«
41
E in Knacken drang aus dem Unterholz. Alarmiert blieb Amy stehen. »Was war das?«
»Keine Sorge.« Ray legte ihr die Hand auf die Schulter. »Es sind Mellie, Karl und Dan. Da drüben, siehst du?« Er deutete nach vorn. »Ich fürchte, es wird Zeit, dass du wieder die Führung übernimmst.«
»Schade.« Sie lächelte. »Ich hatte mich gerade dran gewöhnt.«
»Jederzeit wieder.«
Sie drückte im Vorbeigehen seine Hand. Seine Finger waren warm und kraftvoll.
Kurze Zeit später hatten sie die anderen eingeholt.
»Hallo, zusammen«, rief sie. »Na, alles klar bei euch?«
»Wie man’s nimmt.« Karl blickte unzufrieden. »Wir sind die ganze Abbruchkante entlanggelaufen, bis wir nicht mehr weiterkamen. Dann haben wir es auf der entgegengesetzten Seite versucht und auch nichts gefunden.« Er seufzte. »Ich denke, es dürfte kein Zweifel mehr daran bestehen, dass wir auf einer Insel sind.«
»Sehe ich auch so«, erwiderte Ray.
»Habt ihr Wasser gefunden?«
»Ebenfalls Fehlanzeige«, sagte Karl. »Dieser Steinbrocken ist so trocken wie die Puderdose meiner Oma. Ich frage mich, wie die Pflanzen darauf überleben können.«
Mellie stöhnte. »Ich bin mittlerweile so durstig, dass ich sogar das milchige Gesöff aus den Ranken trinken würde.«
»Tu’s nicht«, sagte Ray. »Danach müssten wir dir vermutlich den Magen auspumpen. Ich hatte die halbe Nacht Bauchschmerzen.«
»Aber wir haben etwas anderes gefunden«, sagte Karl. »Ist ein bisschen schwer zu erklären, deswegen führen wir euch am besten gleich dorthin.«
Amy hob die Augenbrauen. »Du weißt, dass ich keine Überraschungen mag.«
Er grinste. »Die hier wirst du mögen. Komm.«
Gemeinsam stapften sie durch das Unterholz. Amy erzählte den anderen im Schnelldurchlauf von ihrer Begegnung mit der mysteriösen Kreatur und von ihrer Vermutung, es könnte sich um eine Art Gorilla handeln.
»Du nimmst uns auf den Arm«, sagte Dan. »Ein Gorilla?«
»Oder etwas Ähnliches. Wir konnten es nicht so genau erkennen. Ich denke aber, wir sollten uns an den Gedanken gewöhnen, dass wir nicht die einzige intelligente Lebensform auf diesem Eiland sind. Vielleicht gelingt es uns ja, einen Kontakt herzustellen. Vielleicht zeigt es uns sogar, wo wir hier etwas zu trinken finden.«
»Gute Idee«, sagte Karl. »Aber jetzt erst mal zu deiner Überraschung.« Er deutete geradeaus.
Auf einer kleinen, kreisförmigen Lichtung standen drei Zelte. Isomatten, Schlafsäcke und Benzinkocher lagen herum, dazwischen wahllos verstreut Rucksäcke, Papierschnipsel und eine Feuerstelle. Amy dachte zuerst, sie hätten ihr eigenes Lager wiedergefunden – immerhin prangten die Zeichen ihrer Tierschutzorganisation an den Zelten –, doch bei näherem Hinsehen entdeckte sie, dass sie jemand anderem gehörten. Irritiert blickte sie Karl an.
»Das ist doch …«
»Burkes Lager, ganz recht«, sagte der Meteorologe.
»Aber wie …?« Sie war sprachlos. Sie ging einige Meter, klaubte Zeitungsreste und Kaugummipapierchen auf und blieb dann kopfschüttelnd stehen. »Wie ist das möglich? Wir haben den Wald doch gründlich abgesucht.«
»Den Wald auf der anderen Seite des Portals, ja. Auf dieser Seite hatten wir noch keine Zeit dazu.«
»Auf
dieser
Seite …?« Amy trat zwischen die Zelte und wühlte in den Sachen. Kein Zweifel, das war Burkes Ausrüstung. Sie hob den Kopf und studierte die Umgebung. Der Anordnung der Bäume nach zu urteilen hatte ihr eigenes Lager kaum einen halben Kilometer von hier gelegen. Wieso war ihnen das hier nicht aufgefallen?
»Ich verstehe das nicht«, sagte sie. »Die Zelte haben eine
Weitere Kostenlose Bücher