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Korona

Korona

Titel: Korona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Schädel wegrasiert. Es gab ein knisterndes Geräusch, dann fiel die Elektrik aus. Mit einem Jaulen verebbte die Turbine. Die Lampen erloschen. Rauch füllte das Cockpit.
    Keuchend und hustend sah Winslow sich um. Sein Kollege hing ohnmächtig in den Gurten. Eine hässliche Wunde zog sich von der Schläfe über den Wangenknochen bis hin zum Kinn.
    Winslow wollte gerade zu ihm hinüberklettern, als der zentnerschwere Rumpf der
Hind
ins Rutschen kam. Irgendjemand oder irgendetwas schob den ramponierten Hubschrauber auf die Klippe zu. Nur noch vier Meter. Der Abstand wurde immer kleiner. Das Quietschen, als der schwere Rumpf über den Boden scheuerte, war infernalisch. Mit panischen Bewegungen löste Winslow die Gurte seines Freundes. Sie mussten raus hier, und zwar schnell.
    Unter größter Anstrengung bekam er den schlaffen Körper zu packen und zog ihn in Richtung Heck. Dass die
Hind
auf der Seite lag, erschwerte die Sache.
    Schweiß strömte ihm übers Gesicht.
    Nach endlosen Sekunden erreichte er die Tür. Sie schien sich unter dem gewaltigen Ansturm verzogen zu haben und war nicht zu öffnen. Der Riegel bewegte sich keinen Zentimeter. Voller Entsetzen sah Winslow, dass der Bug der
Hind
bereits einen guten Meter über die Kante ragte. Nur noch wenige Sekunden, dann würden sie mitsamt der stählernen Hülle in die Tiefe stürzen. In einem Ausbruch verzweifelter Entschlossenheit griff er nach seiner Kalaschnikow und feuerte auf das Schloss. Es gab ein hässliches Klirren, dann fiel der Riegel zu Boden. Ein kräftiger Tritt und sie flog auf.
    Mit angstgeweiteten Augen blickte Winslow in den Abgrund. Der Helikopter schwankte bereits. Noch immer wurde von hinten geschoben.
    Winslow sah nur noch eine einzige Chance. Drei Meter unter ihnen war ein schmaler Sims. Ihre letzte Chance. Ein weiterer Schlag hatte der
Hind
den entscheidenden Stoß versetzt. Das Heck stieg in die Luft. Der Boden neigte sich. Alles geriet ins Rutschen. Winslow packte seinen Freund und ließ ihn aus der Tür fallen. Dann sprang er hinterher.
    Keuchend schlug er auf dem harten Fels auf. Der Aufprall presste ihm die Luft aus der Lunge. Er rollte zur Seite, ergriff seinen Kollegen und zerrte ihn unter einen kleinen Überhang.
    Keine Sekunde zu früh. Der Rumpf des russischen Kampfhubschraubers taumelte, geriet ins Rutschen und donnerte mit einem ohrenbetäubenden Krachen an ihnen vorbei in die Tiefe.
    Sand und Geröll lösten sich aus der Wand und verhüllten die Welt in einer Wolke aus grauem Staub. Balken brachen und Wände splitterten, als das tonnenschwere Metallgeschoss in die brennende Stadt unter ihnen schlug.
    Dann explodierten die Tanks.

45
    A my griff nach der Wurzel und zog sich daran hoch. Vorsichtig verkeilte sie ihren rechten Fuß in einem schmalen Spalt, dann verlagerte sie ihr Gewicht auf das andere Bein. Langsam und vorsichtig kletterte sie nach oben, Meter für Meter.
    Sie musste jetzt sehr vorsichtig sein. Es war über einen Tag her, dass sie etwas getrunken hatte, und der Durst ließ sie unkonzentriert werden. Die Anstrengung und die trockene Luft machten ihr zu schaffen.
    »Komm, reich mir deine Hand.« Ray beugte sich von oben zu ihr herab und streckte seinen Arm aus. »Nur noch ein kleines Stück. Du hast es beinahe geschafft.«
    Sie ergriff seine Hand und ließ sich von ihm hochziehen.
    »Danke«, keuchte sie, als sie auf die Felsterrasse kroch. »Der letzte Teil war der schwierigste.«
    »Du hast das fabelhaft gemacht. Erhol dich ein bisschen, ich helfe solange den anderen.«
    Sie nickte und sah nach oben. Die Oberkante der Steilwand endete in etwa zwanzig Metern Entfernung. Was sie dahinter finden würden – nun, das würde sich zeigen.
    An ein Wegkommen von dieser Insel glaubte sie nicht mehr, aber vielleicht stießen sie ja noch auf Wasser und etwas Essbares. Es blieb keine andere Wahl, sonst würden sie hier sterben.
    Während Ray auf die anderen wartete, nutzte sie die Zeit, um die Beine zu lockern. Die Terrasse war etwa fünfzehn Meter breit und vier Meter tief. Ein Fluss musste sie vor Urzeiten aus dem Stein gewaschen haben. Dünne, verknöcherte Bäume wuchsen aus den Trockenrissen. Die schwarzen, rund geschliffenen Steine wurden von trockenen Flechten gekrönt, die bei Berührung zu feinem Staub zerfielen. Prüfend steckte sie den Finger in einige der Erdspalten, vergebens. Wenn hier wirklich mal Wasser geflossen war, dann vor ziemlich langer Zeit. Sie ging zum hinteren Teil der Felswand. Die ausgewaschenen Rinnen

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