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Korona

Korona

Titel: Korona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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mal.« Er drückte Richard das Glas in die Hand und holte ein Feuerzeug heraus.
    »Bereit?«
    Er ließ das Licht aufflammen. Richard stieß einen Schrei aus, dann kippte er mitsamt seinem Stuhl hintenüber.

43
    Es reckte seinen Kopf der Sonne entgegen. Lichtstrahlen fielen durch das Blätterdach und wärmten seine Zellen. Die Arme und Beine fest auf die Erde gepresst, stand Es da und wartete. Es hatte ausreichend Proteine zu sich genommen, um seinen Stoffwechsel herunterfahren zu können und seinem Körper zu erlauben, Energie zu tanken.
    Der Angriff auf die Stadt war nicht ohne Folgen geblieben. So klein und schwach diese Kreaturen auch waren, sie verstanden sich auf die Kunst des Feuers, das Einzige, wovor Es wirklich Angst hatte. Dennoch hatte Es einen überwältigenden Sieg errungen. Wie sie vor ihm davongerannt waren. Wie sie jammernd und winselnd versucht hatten zu entkommen, diese törichten Affen. Wussten sie nicht, dass ihm niemand entkam? Nur wenigen war die Flucht gelungen, und das auch nur, weil sie in ihrer Panik ihre eigenen Artgenossen über den Haufen gerannt hatten. Den anderen hatte Es ein schnelles Ende beschert. Es erinnerte sich, wie sie geschrien hatten, als sie ihre Eingeweide auf dem Boden hatten liegen sehen, an ihr Wimmern und Flehen, als ihr Inneres nach außen gekehrt wurde. Welch eine Lust, die warme Körperflüssigkeit über sich auszugießen, seine Hyphen auszustrecken und den warmen Nektar in sich aufzusaugen. Protein! Kaum ein anderer Stoff im Universum war derart nahrhaft. Wenn nur dieser Lärm nicht gewesen wäre. Wie konnte ein einzelnes Lebewesen beim Sterben nur so viel Krach veranstalten. Konnte es nicht still von dieser Welt gehen, mit Würde und Anstand, so wie andere es taten? Und dann dieses Feuer. Irgendwann, als Es besoffen vom Blut und der Lust am Töten durch die Stadt getaumelt war, hatte Es die Hitze gespürt. Es hatte sich umgedreht und gesehen, wie sie mit Fackeln umherrannten und anfingen, Feuer zu legen. Systematisch hatten sie ihre eigene Stadt angezündet, kreisförmig und von außen nach innen. Die Befehle dazu hatten sie von einem schrumpeligen alten Weib erhalten, das, auf einen Stab gestützt, inmitten der Flammen gestanden hatte und ihm mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Verachtung entgegengetreten war. Welche Genugtuung es ihm bereitet hatte, ihr das Herz herauszureißen. Doch dann waren die Flammen gekommen und mit ihnen die Angst. Es musste sich eingestehen, dass Es in einem bestimmten Moment sogar um sein Leben gefürchtet hatte. Nicht, dass ihm der Tod etwas ausmachen würde, aber der Feuertod war so ziemlich das Unehrenhafteste, was man sich vorstellen konnte. Es gab keinen aus seiner Kaste, dem nicht davor graute. Hätte Es nicht im letzten Moment die große Pforte am unteren Ende der Stadt entdeckt, Es hätte vermutlich irgendwann versucht, die Flammenbarriere zu durchbrechen. Doch die Götter waren ihm wohlgesonnen gewesen. Sie hatten ihm den Weg aus der brennenden Hölle gewiesen und seine unsterbliche Seele vor der Verdammnis bewahrt.
    Es blickte an sich herunter. Seine Wurzeln waren an einigen Stellen verdorrt, sein Thallus verbrannt. Es würde eine Weile dauern, bis frisches Kambium nachwuchs. Die kommenden Tage würden voller Schmerz sein.
    Es hob den Kopf. Erinnerungsfragmente durchzogen sein kortikales Geflecht. Es sehnte sich nach der warmen Sonne seiner Heimat, den bernsteinfarbenen Himmeln und dem Atem des Windes. Es wollte fort von hier. Fort von der Kälte und dem immerwährenden Regen. Es sehnte sich nach den Stummen Hallen von Kitara, der Quelle seiner Kraft – dem Ursprung seiner Existenz.
    Es unterbrach seine Gedankenströme. Feine Schwingungen ließen seine Kapillaren erbeben. Das Geräusch riesiger, unsichtbarer Flügel, die sich näherten. Ein Dröhnen drang zu ihm herüber.
    Es löste seine Wurzeln aus der Erde und stand auf. Mit kräftigen Bewegungen erklomm Es einen Baum und spähte durch die Zweige. Etwas Großes kam über die Bäume geflogen und schwenkte in Richtung der brennenden Stadt. Ein großes schwebendes Etwas. Es erinnerte entfernt an ein Insekt, allerdings mit dem Unterschied, dass seine Flügel auf der Oberseite waren. Man konnte sehen, wie es den Rauch zerteilte. Nach einer Weile setzte es am Rand der hohen Klippe auf. Seine Flügel schlugen immer langsamer und standen schließlich still. Ein Teil seines Bauches öffnete sich und spie zwei Menschen aus. Auf und ab gehend patrouillierten sie an der Kante

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