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Korona

Korona

Titel: Korona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Er meinte sich vage an ihre Gesichter zu erinnern, aber das reichte einfach nicht. Er musste mehr wissen.
    »Diese G’ombe …«, begann er zögernd. »Du tust immer so, als ob sie sprechen könnten …«
    »Sprechen
ist vielleicht nicht das richtige Wort«, sagte Mellie. »Sie verfügen über ein breites Repertoire an Lauten, die aber für uns unverständlich sind. Dafür besitzen sie eine ausgeprägte Zeichensprache. Sie können praktisch alles mit den Fingern darstellen. Ray ist darin übrigens auch sehr gut.«
    »Wo steckt er denn? Warum ist er nicht hier?«
    »Habe ich das nicht erzählt? Er ist mit K’baa aufgebrochen, kurz nach dem Unwetter. Das ist der Gorilla, den wir aus dem Fangnetz befreit haben. Sie sind zurück zur Pyramide. Ray sagte, er müsse unbedingt noch etwas überprüfen. Irgendetwas mit dem Portal, glaube ich.«
    Karl schüttelte den Kopf. »Ich werde wohl eine Weile brauchen, um das alles zu verarbeiten. Meinst du, du könntest mir etwas zu essen und trinken besorgen? Ich habe das Gefühl, mein Magen hängt in den Kniekehlen.«
    »Gute Idee. Der Alte wird dich ohnehin noch einmal untersuchen wollen und sehen, wie es dir geht. Das Essen ist nicht schlecht, aber nur, wenn du auf geröstete Insekten stehst. Sollen ja sehr proteinhaltig sein.« Sie lächelte, dann stand sie auf. »Rühr dich nicht vom Fleck, ich bin gleich wieder da.«

58
    A my kniff die Augen zusammen. Backbord, nur wenige Kilometer entfernt, schwebte eine Insel. Wie ein träges Tier lag sie da und reckte ihren fetten Wanst in die Sonne. Die Oberseite sah aus, als bestünde sie aus Blätterteig. Schicht um Schicht ragten Strukturen in die Höhe, die eindeutig nicht natürlichen Ursprungs waren. Rauch lag darüber und trübte die Sicht. Gedämpfte Rufe erklangen, hier und da war der Schrei eines Tieres zu hören. Geräusche von quietschendem Metall und hämmernden Schlägen drangen an ihr Ohr.
    Es war eine Stadt, so viel war klar. Doch eine Stadt wie diese hatte Amy noch nie zuvor gesehen. Ein Labyrinth aus roten Schindeln und schwarzen Mauern erstreckte sich von einem Ende der Insel zum anderen. Kein Quadratmeter, der nicht bebaut worden war, kein Viertel, aus dem nicht Qualm und Staub in die Luft geblasen wurden. Kräne ragten aus dem Dunst wie dürre Stelzvögel. Es gab weder Bäume noch Sträucher oder Wiesen. Keine Parks, keine Alleen oder Gärten. So weit das Auge reichte, sah man nur Häuser, Gassen und Wehranlagen. Wie schorfiger Aussatz lagen die Gebäude auf der Insel und hatten die einstmals so üppige Natur und alles, was früher einmal schön und geheimnisvoll gewesen war, unter sich begraben.
    Im hinteren Teil der Insel ragte ein bedrohlich aussehender Gebäudekomplex in die Luft, der dunkle, lauernde Schatten auf die Stadt warf.
    Gebannt verfolgte Amy, wie ihr Luftfahrzeug zum Landeanflug überging. Das Hafengebiet war eine natürliche Ausbuchtung, die Wind und Regen in die Flanke der Insel gegraben hatten. Gleich einem Atoll umspannten die Randbezirke den zentralen Hafenkomplex, in dem es zuging wie in einem Bienenstock. Kleine Zweimannboote, gedrungene Kähne, schlanke Jagdschiffe und mächtige Handelsgaleeren lagen vor Anker. Jedes sah anders aus. Einige verfügten nur über ein einziges Segel, doch die meisten Schiffe waren größer. Viele besaßen Ausleger oder geschwungene Ruder aus filigranen Holzrahmen, die mit irgendwelchen transparenten Stoffen oder Häuten überzogen waren. Dutzende von Stockwerken ragten in die Höhe oder endeten in stachelbewehrten Kuppeln oder Türmen, die mit Wimpeln beflaggt waren.
    Und dann die Farben. Kein Schiff glich dem anderen. Alle Spielarten des Regenbogens waren vertreten, wobei die Kitarer eine Vorliebe für Rot und Schwarz entwickelt hatten. Bedrohlich aussehende Drachen oder Schlangen prangten auf den Segeln, dreiköpfige Dämonen, schlanke Harpyien und geheimnisvolle Medusen beherrschten die Rümpfe. Die Mythologie dieses Volkes schien von Fabelwesen und Dämonen geradezu durchtränkt zu sein.
    Je näher ihr Schiff den Anlegestellen kam, desto mehr Einzelheiten wurden sichtbar. Die Docks waren gerammelt voll mit Ständen und Buden, zwischen denen unzählige Menschen hin und her wuselten. Fleckige Holzbauten wechselten mit mehrgeschossigen Türmen, bunte Schirme mit zerschlissenen Markisen. Aus Dutzenden von Feuern stieg Rauch empor, der vom Wind erfasst und zu schwarzem Dunst verquirlt wurde. Amy entdeckte ein Trockendock, in dem man ein riesiges Schiff reparierte.

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