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Korona

Korona

Titel: Korona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Nacken.
Alte Wächter.
Er hatte diesen Ausdruck schon seit Jahren nicht mehr gehört.
    »Was ist denn los mit dir?«, fragte Agnes. »Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
    »Das nicht …«, sagte er. »Aber ich hatte gerade ein ganz starkes Déjà-vu …«
    »Sag bloß, du hast …?«
    Richard nickte. »Erinnert ihr euch, ich habe euch doch von meiner Mutter erzählt, die mich immer mit Geschichten von den N’ekru unterhalten hat. In diesem Zusammenhang fiel hin und wieder auch der Begriff
Wächter.
Ich konnte mir keinen Reim darauf machen und habe sie auch schnell wieder vergessen, aber jetzt …«
    »Was soll das denn sein?«, fragte Parker. »Noch mehr Ungeheuer?«
    »Meine Mutter erzählte mir, dass ihnen früher das ganze Land gehörte. Sie lebten in friedlicher Koexistenz mit den Pygmäen, von denen sie wie Götter verehrt wurden. Doch dann kamen die Weißen. Sie brachten die Zivilisation und vertrieben die Wächter. Überbevölkerung, Rodung, Ackerbau und Viehzucht, Vernichtung des Lebensraumes heimischer Tiere und Pflanzen. Die Wächter flohen und zogen sich in die entlegensten Winkel des Landes zurück. Viele von ihnen verließen das Land und kehrten nie wieder zurück.«
    »Reden wir hier von Gorillas?«
    Richard strich über seine Stirn. »Ich habe immer geglaubt, es seien irgendwelche Fabelwesen. Der Gedanke, dass sie von den Berggorillas geredet hat, ist mir jetzt erst gekommen.«
    »Könnte aber sein«, sagte Parker. »Überleg doch mal: Dieses Land gehörte früher den Berggorillas. Vorsichtige Schätzungen haben ergeben, dass es Zeiten gegeben hat, als eine knappe Million von ihnen zwischen den Hängen des Ruwenzori und den Spitzen der Virungas gelebt haben. Die Bergregionen Ostafrikas waren früher von Urwald bedeckt. Heute gibt es nur noch ein paar kümmerliche Reste in den Nationalparks. Kleine Inseln in einem Meer aus Äckern und Dörfern. Die wenigen Gorillas, die es noch gibt, sind auf diesen Inseln gefangen. Migration ist unmöglich. Für mich klingt das nicht nach einem Märchen, sondern nach bitterer Realität.«
    »Aber warum
Wächter?«,
fragte Agnes. »Was bewachen sie denn?«
    Richard blickte zu dem nicht enden wollenden Strom der Gorillas hinüber, die immer noch über die Brücke kamen. Der Nebel hatte sich gelichtet und gab den Blick frei auf eine unübersehbare Menge gewaltiger Primaten, die friedlich grasend nebeneinander am Waldrand hockten. Sie kauten Gräser, Triebe und Blätter und schienen auf irgendetwas zu warten. Der Himmel sah nach Regen aus. »Wenn ich das nur wüsste«, murmelte er.
    »Wenn ich das nur wüsste.«

[home]
    Teil  3
    Der Namenlose
    66
    A my war kaum imstande, im Halbdunkel etwas zu erkennen. Das Licht, das durch die schmalen Lichtschächte der
Stummen Halle
fiel, reichte kaum aus, um irgendetwas erkennen zu können. Die Tür hinter ihnen war verschlossen. Nicht mal ein Blatt Papier hätte zwischen die beiden Sandsteinplatten gepasst, so nahtlos fügten sie sich aneinander. Es gab kein Rad, keinen Hebel oder sonstwie gearteten Öffnungsmechanismus, und um sie mit bloßen Händen anzuheben, waren sie viel zu schwer.
    »Da sind wir nun also«, murmelte Dan. »Schöner Mist. Was machen wir nun?«
    »Ich würde vorschlagen, wir warten, bis wir uns an die Dunkelheit gewöhnt haben und versuchen dann, uns umzusehen. Vielleicht gibt es ja noch einen anderen Weg hinaus.«
    »Na, immerhin ist dieses Gebäude nicht bewohnt.«
    »Das wissen wir noch nicht«, erwiderte Amy. »Oyo hat gesagt, dass wir Will hier finden würden.«
    »Oyo erzählt viel, wenn der Tag lang ist. Ich glaube, die Hälfte von allem, was wir uns von ihm anhören mussten, ist erlogen. Auch dass wir
Gäste
sind. Gefangene sind wir. Eingesperrt in einem Steinwürfel in einer verlassenen Stadt.«
    Amy neigte dazu, ihm beizupflichten, aber es gab da ein paar Dinge, die nicht ins Bild passten. Sie empfand zwar keine Sympathie für den Botschafter, aber sie fragte sich, warum er dieses Versteckspiel mit ihnen spielte. Man hätte sie doch gleich gefangen nehmen und ins Verlies werfen können. Warum der Empfang mit der Sänfte und die Audienz bei der Kaiserin? Das passte einfach nicht.
    »Bis jetzt habe ich noch nichts entdeckt, keine Türen, keine Treppen, keine Etagen. Nichts, was darauf hindeutet, wofür dieser Raum einst genutzt worden ist. Es ist einfach nur ein leerer, würfelförmiger Saal«, wurde Dan wieder sachlich.
    »Abgesehen von den Pflanzen.« Amy blickte argwöhnisch

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