Korona
überrascht war wie sie und dass auch er keine Ahnung hatte, was nun geschehen würde. Was immer das Wesen von der Herrscherin verlangt hatte, es schien eine beträchtliche Gefahr zu bergen.
69
R ay stand am Bug ihres Fluggleiters und blickte hinaus in die safrangelbe Dämmerung. Seltsame Vögel umkreisten das Schiff, spitze Schreie ausstoßend. Die späte Sonne warf lange Schatten über das Wolkenmeer, goldene Lichtstreifen kreuzten den Himmel.
K’baa, der am Ruder saß, steuerte das schlanke Schiff durch die Lüfte. Er hatte merklich an Routine gewonnen und hielt das zerbrechliche Fahrzeug trotz gelegentlicher Böen stabil auf Kurs. Mehrere Stunden waren sie jetzt schon unterwegs, ohne ein Zeichen von Amy oder ihren Entführern. Die Zeit wurde knapp. Noch immer war keine Spur von der schwebenden Stadt und der kaiserlichen Flotte zu sehen. Die Chance, die Vermissten lebend wiederzusehen, wurde mit jeder Minute kleiner. Wusste K’baa überhaupt, wohin er flog? Hier sah doch alles gleich aus. Wohin man blickte, endlose Wolkengebirge, unterbrochen von schwebenden Gesteinsbrocken, die von einer Vielzahl von Flugwesen bevölkert wurden. Da gab es fliegende Rochen und schwebende Quallen, ätherische Schmetterlinge und durchscheinende Blasen. Manche der Geschöpfe hatten Ähnlichkeit mit den Samen riesiger Pusteblumen, andere mit Tiefseelebewesen. Man kam aber nie nahe genug heran, dass man sie genauer hätte betrachten können. Zweimal hatten sie in weiter Ferne andere Schiffe gesehen, aber das war schon einige Zeit her. Die Gegend, durch sie jetzt flogen, war menschenleer.
Ray trommelte nervös mit den Fingern auf die Reling.
»Wie lange noch, K’baa?«
Sein Begleiter wiegte den Kopf und antwortete mit einer Zeitangabe, die Ray nicht verstand. Hieß das jetzt eine halbe Stunde oder zwei? Die G’ombe arbeiteten mit einem verqueren Zahlensystem, das so kompliziert war, dass man vermutlich Tage brauchte, um es zu verstehen. Zeit, die sie nicht hatten. Wenn seine Intuition ihn nicht trog, blieben ihnen nur noch wenige Stunden. Sobald die Nacht den Mittelpunkt durchschritten hatte, würde sich das Portal öffnen. Die Zeit würde ohnehin kaum ausreichen, um noch zurückzukehren. Er knabberte nervös an seiner Unterlippe, als K’baa plötzlich einen Ruf ausstieß. Aufgeregt deutete er nach vorn.
Ray kniff die Augen zusammen. Vor ihnen war ein riesiges Objekt aus den Nebeln aufgetaucht. Breit wie eine Insel, stachelbewehrt und dunkel wie eine Gewitterwolke glitt es durch die Lüfte, genau auf sie zu.
Noch war es zu weit entfernt, um Details zu erkennen, doch es schien ein Schiff zu sein. Eine gewaltige Konstruktion mit mehreren Decks und riesigen Segeln.
K’baa blickte finster. Seine Augenbrauen verschmolzen zu einer geraden Linie.
»Was ist das?«, fragte Ray.
Kaiserliches Kampfschiff,
lautete die Antwort.
Fliegt in Richtung Portal.
»Verdammt«, fluchte er. »Was machen wir jetzt?«
K’baa veränderte die Ruderstellung und lenkte das Schiff auf Ausweichkurs.
Auf Abstand gehen,
lautete seine Geste, dann steuerte er das Schiff in eine langgestreckte Linkskurve.
Ray überlegte kurz, dann sagte er: »Lass mich ans Steuer, wir wollen kein Misstrauen erwecken«. K’baa überlegte kurz, dann übergab er Ray das Steuer. Er öffnete die Luke und kletterte in den Stauraum. Ein kleiner Spalt blieb offen, damit er weiter beobachten und sich mit Ray unterhalten konnte.
Die Galeone kam immer näher.
Schon bald nahm sie den größten Teil des steuerbordseitigen Blickfeldes ein. Ray zählte allein oberhalb des Hauptdecks vier Etagen, wobei die oberste gleichzeitig auch die prächtigste war. Unter Deck gab es nochmals drei Etagen, wie man deutlich an den übereinanderliegenden Reihen von Luken erkennen konnte. Das unterste Deck gab Ray Rätsel auf. Es war höher als die anderen und verfügte nur über eine einzige Öffnung, eine mächtige, etwa drei auf drei Meter große Tür. Das Seltsame war, dass sie von außen verschlossen war. Mächtige Riegel und Balken versperrten die Tür, durch die bequem ein Panzer gepasst hätte.
Ray verwarf die Frage und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Oberdeck zu. Vier oder fünf Wachen patrouillierten dort herum, allesamt in prächtige Rüstungen gekleidet und mit Speeren und Schwertern bewaffnet. Sie nahmen keine Notiz von ihnen, sondern unterhielten sich stattdessen. Eine hob sogar die Hand und grüßte zu ihm herüber. Ray erwiderte den Gruß halbherzig und ließ seinen Blick
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