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Korona

Korona

Titel: Korona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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war selbst über das Brausen des Sturms hinweg zu hören. Aber dieser Knabe war der Schlüssel zum Herz der Kaiserin.
    Er hob den Kopf. Die Kaiserin blickte hinaus in das Unwetter. Immerhin hatte sie ihm noch nicht die Kehle durchgeschnitten.
    »Denkt doch, was geschieht, wenn dieses Schiff abstürzt«, fuhr er fort. »Die heilige Stadt wäre ohne Herrscherin. Wie soll für Euer Volk morgen die Sonne aufgehen, wenn das Licht Eurer Herrlichkeit nicht mehr auf uns scheint?«
    Sie gab ein Schnauben von sich.
    Um seine Worte zu bekräftigen, ließ er sich auf die Knie fallen. Er musste jetzt alles auf eine Karte setzen. Im Stillen betete er, die Kaiserin möge ihren Dolch nicht gegen ihn erheben.
    Sein Flehen schien erhört zu werden.
    Als er es wagte aufzublicken, bemerkte er, dass die Herrscherin zögerte. Der Hass in ihren Augen war einem unsteten Flackern gewichen. Konnte es sein, dass er doch einen Nerv bei ihr getroffen hatte?
    »Bitte, Herrin. Ich flehe Euch an.«
    In diesem Augenblick erklang vom Ausguck her ein Ruf.
    »Licht voraus!«
    Oyo hob den Kopf und zwinkerte ein paarmal. Tatsächlich, da war ein kleiner leuchtender Punkt in der Ferne. Er flackerte und zuckte wie ein Glühwürmchen.
    Das Aufpeitschen eines Blitzes enthüllte einen gewaltigen Umriss.
Eine Insel.
    Hocherhobenen Hauptes blickte die Kaiserin zu dem hellen Punkt hinüber. Dann wandte sie sich ab und ging Richtung Freitreppe. Um ihren Mund spielte ein kaltes Lächeln.
    »Komm«, sagte sie zu ihm, dann ging sie die Stufen hinab. »Vielleicht gibt es doch noch eine Möglichkeit, wie du deine Haut retten kannst.« Damit verschwand sie.
    Schwer atmend kam Oyo auf die Füße. Was meinte sie damit? War das ein Signalfeuer?
    Die Kaiserin war auf dem Oberdeck angelangt und erteilte dem Steuermann einige Befehle.
    Oyo fürchtete die Entscheidungen der Kaiserin. Bei ihr wusste man nie, was sie als Nächstes tun würde. Ihr ganzes Leben wurde vom Augenblick bestimmt. Heute noch ihr Liebling, konnte man schon morgen zum Hochverräter erklärt werden. Gewiss, das Leben an ihrer Seite bot ein hohes Maß an Vergünstigungen und Privilegien, doch war es das alles wirklich wert?
    Die Kaiserin überquerte das Oberdeck und winkte ein paar ihrer Leibgardistinnen zu sich. Dann schnappte sie sich eine Fackel und betrat die Tür, die zu den unteren Decks führte. Oyo schwante Unheil. Er beeilte sich, den Anschluss nicht zu verlieren. Mit trippelnden Schritten lief er hinter ihr her. Dieser verdammte Sari. So schön sein Gewand auch war, es war verdammt hinderlich, wenn man es mal eilig hatte.
    Die kaiserliche Abordnung war bereits unter Deck verschwunden. Als er endlich die Tür erreichte und die Treppe hinabeilte, waren die Kaiserin und die Wachen bereits bei den Laderäumen angelangt. Der Namenlose? Was wollte die Kaiserin dort?
    Oyo schwante Unheil. Er verabscheute die Namenlosen. Er verabscheute sie aus tiefstem Herzen. Sie waren gefährlich. Sie hatten jeder Lebensform außer sich selbst den Krieg erklärt und ließen einen bei jeder sich bietenden Gelegenheit spüren, dass sie einen nur duldeten, solange der Strom aus Fleisch und Blut nicht versiegte. Was geschehen würde, wenn die Opfergaben ausblieben und der Nachschub an Wanderern eines Tages versiegte, darüber wagte er nicht nachzudenken.
    Oyo betrat den von Fackeln erhellten Gang. Ein bestialischer Gestank schlug ihm entgegen. Fäulnis und Verwesung lagen über diesen Räumen wie ein Schatten. Dumpfes Dröhnen empfing ihn, während der Wind von außen an den Planken zerrte. Das Rollen und Schlingern des Schiffes machte die Fortbewegung schwierig.
    »Oyo!« Die Stimme der Kaiserin schallte durch den Gang.
    »Herrin?« Er eilte an den Wachen vorbei nach vorn.
    »Ich will, dass
du
mit ihm redest.«
    »Was … ich?« Dem Botschafter verschlug es die Sprache. »Aber ich habe noch nie …«
    »Sag ihm, wir haben eine Spur gefunden. Berichte ihm von dem Feuer, und dann sag ihm, dass wir ihn hier absetzen können, wenn er das wünscht. Sag ihm, wir werden ihn in den kommenden Tagen wieder abholen, wenn sein Werk vollbracht ist.«
    »Absetzen? Und was ist mit uns?«
    »Ich werde Befehl geben, das Schiff zu wenden und zurückzufliegen.«
    In Oyos Entsetzen mischte sich ein Gefühl der Hoffnung und Freude.
Sie würden heimkehren.
Dann hatte sich das Risiko doch gelohnt. Aber was, wenn er das gar nicht mehr erlebte? Was, wenn der Namenlose ihn als willkommenen Appetithappen betrachtete?
    »Herrin, ich …«
    »Tu

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