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Korona

Korona

Titel: Korona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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sagte Amy. »Ich konnte nichts dagegen unternehmen. Es ging alles so schnell …«
    »Dich trifft keine Schuld. Du konntest doch nichts dafür.« Mellie nahm ihre Hand und drückte sie. »Genau genommen ist es ein Wunder, dass wir überhaupt noch am Leben sind.«
    »Auch wieder wahr«, sagte Karl. Ihm war anzusehen, dass ihn die Nachricht schockierte, aber er versuchte sich zusammenzunehmen. »Also, was ist?«, fragte er. »Wann brechen wir auf?«
    »Sofort.« Ray griff nach einem der Bündel, die auf der Erde lagen, und legte es über seine Schulter. Dann ging er zum Feuer, zog ein brennendes Scheit heraus und hielt es wie eine Fackel in die Höhe. »Kommt«, sagte er. »Wir dürfen keine Zeit verlieren. Schnappt euch Proviant und Fackeln und dann nichts wie los.«

75
    O yo Nyimba, Botschafter und zweiter Marschall Ihrer erhabenen Hoheit Maskal Kibra Lalibela, stand auf dem Oberdeck der kaiserlichen Galeone und blickte mit angsterfüllten Augen hinaus in den Sturm. Noch niemals in seinem jungen Leben hatte er solche Naturgewalten erlebt. Blitze, die einen Berg spalten konnten. Donner, der die Planken unter seinen Füßen erbeben ließ. Die Nacht war ein tobendes und brausendes Chaos.
    Es war, als hätten sich sämtliche Götter Kitaras gegen sie verschworen.
    Das Holz ächzte und knarrte, während die Toppgasten versuchten, die Segel einzuholen. Zwei waren unter dem Ansturm des Windes schon von der Rah gefegt und vom brodelnden Sturm verschluckt worden. Die anderen hatten unter Einsatz ihres Lebens die Segel geborgen und verstaut. Blieb nur noch der Besanmast, und dort waren die Seile zum Zerreißen gespannt. Nicht mehr lange und der Mast würde zerbrechen wie die Knochen eines Chr’aan-Vogels.
    Doch so schlimm das Wetter auch war, verglichen mit dem Zorn der Kaiserin war es nur ein laues Lüftchen. Vorsichtig drehte Oyo seinen Kopf. In den Augen der Kaiserin flackerte Wahnsinn. Lichtreflexe huschten über ihren Körper. Ihr Gesicht war eine Maske aus Hass und irrsinniger Wut.
    Noch immer klebte Blut an ihren Händen. Das Blut der erschlagenen Wächterinnen, die schuld waren, dass man die weiße Frau vor ihren Augen von Bord ihres Schiffes entführt hatte. Die Kaiserin hatte es sich nicht nehmen lassen, den unglücklichen Frauen persönlich die Kehlen durchzuschneiden. Nur mit knapper Not war er selbst ihrem Zorn entronnen, und das auch nur, weil er zu einem Seitenzweig der Familie gehörte. Wären da nicht die Blutsbande gewesen, er hätte zusehen können, wie sich seine Innereien über das Deck verteilt hätten.
    Die Kaiserin war wie in Rage. Ihr ganzes Denken war darauf ausgerichtet, die Flüchtlinge einzuholen und zu bestrafen. Solange sie die Schuldigen verfolgten, würde sie ihm vermutlich nichts tun, doch was war, wenn sie scheiterten? Wenn den Fremden die Flucht durch den Sturm gelang? Irgendeiner würde den Kopf dafür hinhalten müssen. Er fürchtete, dass ihn selbst die Blutsbande dann nicht mehr schützen würden.
    Seine Hoffnungen schwanden mit jeder Minute. Seiner Meinung nach hatten sie den Wettlauf mit dem fremden Schiff schon längst verloren. Das kleine Boot war vor geraumer Zeit in der Dunkelheit verschwunden und die Chancen, dass sie es in diesem Chaos fanden, waren gleich null. Aber das konnte er so natürlich nicht sagen.
    »Herrin …«, begann er vorsichtig.
    Die Kaiserin starrte mit zusammengepressten Lippen geradeaus.
    »Ich frage das nur ungern. Aber sollten wir nicht lieber umkehren? Die Weiterfahrt birgt ein viel zu großes Risiko. Das Schiff ist für solche Belastungen nicht ausgelegt.«
    »Schweig«, fuhr ihn die Kaiserin an. »Noch ein Wort und ich schneide dir die Kehle durch.«
    »Ja, Herrin.« Er senkte den Kopf und schwieg. Lange hielt er es allerdings nicht aus, denn schon erschütterte eine neue, besonders heftige Bö das Schiff in seinen Grundfesten. »Bitte …«, platzte er heraus. »Denkt doch an Euren Sohn. Er ist jung und schutzlos. Ihr, die Ihr göttliche Macht in Euch tragt, empfindet keine Furcht. Ihr versteht nichts von den Sorgen der Sterblichen. Lasst mich Eure Augen und Eure Ohren sein. Habt Mitleid mit uns Sterblichen.« Er verneigte sich, in der Hoffnung, seine Worte könnten das Herz der Kaiserin erweichen. Tatsache war, Oyo scherte sich einen Dreck um den Prinzen. Der sadistische Hosenscheißer hatte sich schon vor geraumer Zeit in den kaiserlichen Gemächern verkrochen, wo er die Bediensteten mit Fußtritten, Schlägen und Geschrei schikanierte. Sein Toben

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