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Korona

Korona

Titel: Korona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Mellie riss ihm das Glas weg und sah selbst hindurch. Ihr Mund blieb vor Erstaunen offen. »Was ist das? Hat einer von euch so etwas schon einmal gesehen?«
    »Noch keine so große«, sagte Amy und dann, mit einem triumphierenden Blick an Karl gewandt: »Scheint, dass dein GPS doch eine Fehlfunktion hat.«
    »Darf ich auch mal?«, fragte Ray.
    »Klar, hier.« Mellie reichte ihm das Fernglas und ließ ihn hindurchblicken. Zuerst erkannte er gar nichts, nur grüne Schemen und wabernde Nebelbänke. Dann aber, als seine Augen an die Entfernung gewöhnt waren, wurde das Bild besser. Er erkannte einzelne, mit Flechten behangene Bananen, dazwischen turmhohe Exemplare von
Senecio nivalis,
einer speziellen Art des Kreuzkrauts, sowie Schopfbäume mit ihren hellgrünen Blättern. Als er ein Stück weiter nach rechts blickte, entdeckte er endlich, wovon die anderen sprachen. Zuerst dachte er, es wäre eine riesige Strohblume mit besonders ausgeprägten menschlichen Formen, doch dann erkannte er, dass es ein künstliches Gebilde war. Eine Art Totem. Die Skulptur einer missgestalteten und abschreckend aussehenden alten Frau.
    Und sie war riesig.
    »Sehen wir uns das mal aus der Nähe an«, sagte Amy, schulterte ihren Rucksack und marschierte los.
     
    Eine Viertelstunde später waren sie bei der merkwürdigen Figur angelangt. Ray schätzte ihre Größe auf mindestens vier Meter. Sie besaß einen fetten aufgeblähten Leib, schlaffe Brüste und bemerkenswert lange Arme. Der Körper war aus einer Art Korbgerüst hergestellt, durch dessen wabenartige Außenhaut Kletterrosen und Efeu rankten. Sie erweckten beim Betrachter den Eindruck, als trüge sie ein grünes Kleid. Der Kopf war einfach nur ein ausgestopfter Sack, der keinerlei Merkmale wie Augen, Mund oder Nase aufwies. Die Haare bestanden aus meterlangem, getrocknetem Tussock-Gras, das zu knotigen Zöpfen geflochten seitlich vom Kopf herabhing. Irgendetwas Bedrohliches ging von dieser Figur aus, das spürte Ray sofort. Während Mellie das Monster fotografierte, nutzte er die Unterbrechung für eine schnelle Zeichnung. Mit kurzen, kräftigen Strichen fuhr sein Bleistift über das Papier.
    Amy verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich müsste mich sehr täuschen, wenn das nicht ein Bugonde-Totem ist.«
    »Sieht abschreckend aus«, sagte Mellie und rückte unwillkürlich näher an Ray heran.
    »Das ist der Sinn der Sache. Diese Figuren sind eine Art Markierung. Sie dienen dazu, Fremde auf Abstand zu halten.«
    »Ein so großes Totem habe ich noch nicht gesehen«, murmelte Karl. »Dieser Stamm benötigt anscheinend besonders viel Abstand.«
    »Das würde genau dem entsprechen, was uns der Offizier erzählt hat. Erwähnte er nicht irgendwelche Reibereien mit den ortsansässigen Reiseveranstaltern?« Sie hob das Kinn. »Wir können darauf leider keine Rücksicht nehmen. Ich will wissen, ob Will hier gewesen ist, und das werden wir nur herausfinden, wenn wir weitergehen.«
    Ray war mit dem Zeichnen fertig und hatte das Skizzenbuch wieder eingesteckt. »Und was, wenn sie uns daran hindern?«
    »Wir müssen uns eben auf unser Verhandlungsgeschick verlassen. Oder schlagen Sie vor, wir sollen umkehren?«
    »Natürlich nicht …«
    »Gut, dann los. Ich muss gestehen, dass ich nach allem, was ich über diesen Stamm gehört habe, sehr neugierig geworden bin.«

15
    E ine Viertelstunde später erreichten sie einen steilen Abfall, der den Beginn eines weiten Tals markierte. Der Wald wich zurück und öffnete sich zu einem langgestreckten Kessel, dessen entferntes Ende von einer steil aufragenden Bergflanke begrenzt wurde. Dort, wo der Fluss austrat, war ein hoher, schlanker Wasserfall zu sehen, dessen Gischt zum Fuß hin in einen feinen Nebel überging. In noch weiterer Ferne ragte der Mount Stanley in den Himmel, über dessen schneebedecktem Gipfel dunkle Wolken hingen. Ray spürte, dass es heute noch regnen würde.
    »Seht euch das an.« Dan deutete auf eine Ansammlung von kugeligen Gebäuden, die in rechter Halbhöhenlage an der Flanke des Berges klebten. Sie sahen aus wie Bienennester an einem alten Baum.
    »Bugondehäuser.« Mellie holte ihre Kamera heraus und machte ein paar Aufnahmen. »Ich habe schon fast nicht mehr geglaubt, dass sie tatsächlich existieren.«
    »An deiner Stelle würde ich die Kamera lieber wegstecken«, sagte Amy. »Die meisten Eingeborenen mögen es nicht, wenn man sie fotografiert, und wir werden gerade beobachtet.«
    Ray blickte in die Runde und erschrak. Schräg

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