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Korona

Korona

Titel: Korona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Schluss zuließ, dass die Schamanin nicht so harmlos war, wie Amy annahm.
    Vor ihnen war ein plätscherndes Geräusch zu hören. Hinter einem Vorhang aus Wasser wurde eine Gestalt sichtbar. Eine Statue. Aus einem einzigen Felsbrocken geschlagen, wirkte sie ungeheuer massig und schwer. Wasser strömte über die Statue in ein Bassin.
    Die abgebildete Kreatur ließ sich am besten als Kreuzung zwischen Affe und Pflanze beschreiben. Eine Chimäre, wie man sie hin und wieder in alten Sagenbüchern fand. Sie war über und über mit Moos bewachsen und besaß eine geradezu lebendige Ausstrahlung.
    »Was ist das?«, flüsterte Mellie mit ehrfürchtiger Stimme.
    »Ich weiß es nicht«, entgegnete Amy. »Ich habe so etwas noch nie zuvor gesehen.«
    »Das ist ein
N’ekru«
, krächzte eine Stimme aus dem Dunkel. »Ein Riese aus der alten Welt.« Etwas Bleiches, Unförmiges watschelte ins Licht.
    Amy wich zurück.
    Es war eine Frau.
    Ihre schlohweißen Haare hingen wie Spinnweben von ihrem Kopf, ihre Haut wirkte, als hätte man sie mit Peroxid gebleicht und ihre Augen waren so hell wie Schnee. Unruhig zuckten sie hin und her, auf der Suche nach den Besuchern. Die Frau war nur etwa einsfünfzig groß und ziemlich beleibt. Ihr Oberkörper war eng geschnürt in blutrote Stoffbahnen. In ihrer rechten Hand hielt sie einen Stock aus gewundenem Wurzelholz. Auf ihrem Kopf thronte ein kunstvoll gearbeitetes Diadem, das vor Gold und Edelsteinen nur so funkelte. Amy studierte ihr ungewöhnliches Gesicht. Allein die vorgewölbten Lippen und das ausgeprägte Stirnbein passten nicht zu diesem Erscheinungsbild. Die helle Farbe ließ auf einen Defekt in der Pigmentierung schließen. Die Frau war ein Albino, und sie war ganz offensichtlich blind.
    »Sie sprechen unsere Sprache?«
    Die Alte nickte. »Ihre Sprache, andere Sprachen, kein Unterschied.« Sie wedelte mit der Hand. »Mein Vater … Missionar. Kam in dieses Land, lange vor Ihrer Zeit. Blieb viele Jahre. Lange genug, um mich seine Heimatsprache zu lehren.«
    Amy wollte nachfragen, was aus ihm geworden war, verwarf den Gedanken aber wieder. Sie hatten Wichtigeres zu klären. »Verzeiht unser Eindringen«, sagte sie. »Wir wollen euch nicht stören.«
    »Töchter der allsehenden Mutter sind immer willkommen.« Die Frau entblößte eine Reihe dunkelbrauner Zähne. Sie sah aus wie ein riesiger Frosch, der zu lange in dunklen Höhlen gehaust hatte.
    »Müsst durstig sein. Kommt und erfrischt euch.« Sie nahm einen steinernen Becher vom Rand des Bassins, tauchte ihn in das moosgrüne Wasser und setzte ihn an ihre Lippen. Dann reichte sie ihn den beiden Frauen.
    Mellie starrte argwöhnisch auf den Becher. »Ich habe keinen Durst.«
    »Wasser gut. Trinkt.« Die Alte hob ihren Finger, der in einem etwa zehn Zentimeter langen, ausgebleichten Fingernagel endete. »Durch die Macht des N’ekru werdet ihr Kraft und Weisheit erlangen. Ihr werdet an andere Orte kommen, fremde Welten sehen.«
    Amy nickte. Die Frau war weit mehr als ein gewöhnliches Stammesoberhaupt. Ihre Bewegungen, die Art wie sie sprach und vor allem die Einrichtung ihrer Hütte deuteten darauf hin, dass es sich um eine Hexenmeisterin handelte.
    Mellie blickte angewidert auf den Becher in ihren Händen: »Nein danke.« Amy sagte nichts, spürte aber, dass es ratsam war, das Angebot nicht auszuschlagen. Sie nahm den Becher und setzte ihn an ihre Lippen. Das Wasser schmeckte wider Erwarten frisch und angenehm. Sie reichte ihn Mellie. »Trink«, sagte sie. »Es ist in Ordnung.«
    »Ja, trinken«, sagte die Alte. »Dann setzen und erzählen.« Sie deutete auf ein paar grob behauene Holzklötze, die nahe der Statue auf dem Boden lagen. »Warum gekommen zu den Bugonde?« Amy ließ sich nieder und fing an, von ihrer Reise zu berichten. Von ihrer Wanderung hierher und von ihrem Erlebnis bei den Gorillas. Oft musste sie Sätze umformulieren oder ganz von vorn beginnen, weil die Hexenmeisterin manche Worte nicht kannte oder den Sinnzusammenhang nicht erfasste. Es war überhaupt erstaunlich, dass ihre Sprachkenntnisse so gut waren. Viel Übung konnte sie ja nicht haben. Als Amy auf die Soldaten zu sprechen kam, wurde der Gesichtsausdruck der Frau ernst. Das breite Lächeln verschwand. Zornesfalten zogen sich über ihre Stirn. Sie begann, seltsame Zeichen mit ihrem Stock in den Sand zu malen. Amy spürte, wie es plötzlich kalt wurde. Als hätte jemand in einem beheizten Raum das Fenster geöffnet.
    »Verzeiht, wenn ich Euch beleidigt habe«,

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