Korona
wirst es nicht für möglich halten«, sagte Wilcox, während er an dem schwarzen Gebräu nippte. »Aber es ist die Wahrheit, das können wir dir versichern. Einfach unglaublich.«
»Ja was denn? Lasst euch doch nicht alles aus der Nase ziehen.«
»Die Gorillas sind in Bewegung«, sagte Parker. »Sie ziehen über die gesamte Nord- und Ostflanke der Vulkane.« Wilcox ergänzte: »Selbst aus Ruanda und dem Kongo hören wir solche Nachrichten. Es ist überall dasselbe.«
Richard blickte skeptisch. »Solche Bewegungen hat es immer gegeben. Es gibt keine sesshaften Gorillas, das wisst ihr genauso gut wie ich. Abgesehen von Burkes seltsamen Höhlengorillas.«
»Du verstehst nicht«, sagte Wilcox. »Die Gorillas ziehen nicht herum, sie ziehen
weg,
ganz aus der Gegend raus. Sie verlassen ihre angestammten Gebiete und marschieren aufs offene Land.«
Richard wollte einen Löffel mit Zucker in seinen Kaffee rühren, hielt aber inne. »Was sagt ihr da?«
»Es kommt noch besser«, sagte Parker. »Sie ziehen nicht einfach planlos in der Gegend herum, sie formieren sich. Genau in diesem Augenblick wandern schätzungsweise zweihundert Gorillas in zusammenhängenden Familienverbänden Richtung Norden. Quer über Äcker, Felder und Plantagen hinweg. Ein Teil von ihnen ist schon auf der Höhe von Bwindi, von wo aus weitere Gorillas zu ihnen stoßen.«
»Leute, ich bin nicht zu Späßen aufgelegt.« Richard sah die beiden streng an. Wilcox und Parker hatten schon öfter ihre Scherze mit ihm gemacht, aber diesmal schlugen sie eindeutig über die Stränge. »Ihr glaubt wohl, ich falle auf eure Märchen rein, aber das könnt ihr vergessen. Wenn es stimmt, was ihr sagt, dann hätte ich doch schon längst davon erfahren.«
Wilcox schüttelte den Kopf. »Das schlechte Wetter hat dazu geführt, dass sie unbemerkt weiterziehen konnten. Die Bevölkerung ist in den Dörfern geblieben, außerdem sind die Fernmeldeverbindungen größtenteils unterbrochen. Glaub mir, es ist eine Völkerwanderung, wie es sie noch nie gegeben hat. Wie es scheint, meiden die Tiere die Dörfer und Siedlungen und das ist ein großes Glück. Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn die Primaten quer über besiedeltes Land ziehen würden.«
Richard wollte den Löffel in seine Tasse leeren, stellte aber fest, dass er den Großteil des Zuckers mittlerweile auf dem Boden verstreut hatte. Die beiden Männer verzogen keine Miene. Keine Spur von Lächeln oder Augenzwinkern. Er deutete auf sein Telefon. »Soll ich mich an den Apparat hängen und eure Geschichte nachprüfen? Ich verspreche euch, wenn ihr mich verarscht, ziehe ich euch das Fell über die Ohren.«
»Wir sagen die Wahrheit, Richard, du musst uns glauben.«
»Na schön.« Er nahm noch einen Löffel Zucker, rührte ihn in den Kaffee und nippte an der Tasse.
»Und wohin ziehen sie, wenn ich fragen darf?«
Wilcox schwang sich von seinem Stuhl und ging hinüber zu der Übersichtskarte. Mit dem Finger markierte er eine Linie, die von Mgahinga ausgehend über den Bwindi Impenetrable Forest bis zum Queen-Elizabeth-Nationalpark reichte. Richard überschlug die Richtung im Geiste und verlängerte die Linie. Ihm stockte der Atem. Schlagartig wurde ihm klar, warum an der Geschichte vielleicht doch etwas dran sein konnte. Ein solcher Zufall war einfach unmöglich. Wenn die Gorillas noch weiter zogen, dann führte sie das …
»Heilige Scheiße«, flüsterte er. »Sie ziehen genau in Richtung Ruwenzori.«
32
D as Innere der Hütte war in rauchgeschwängertes Zwielicht gehüllt. Die Hexenmeisterin der Bugonde hob ihren Kopf. Ein Lichtstrahl fiel durch das Dach und landete auf ihrem Gesicht. Die Augen fest geschlossen, stand sie breitbeinig in der Mitte des Raumes, die Hände vor der Brust gefaltet. Rauchschwaden stiegen aus den Opferschalen und verwirbelten im Luftzug, der sich seinen Weg durch die Ritzen des Gebäudes suchte. Geisterhafte Schwaden erfüllten den Raum. Ein Geruch von beißender Schärfe lag in der Luft.
Gleichmäßig ein- und ausatmend, nahm die Hexenmeisterin die geweihten Essenzen in sich auf, während sich die psychoaktiven Substanzen der verbrennenden Öle und Harze in ihrem Blut anreicherten. Sie zelebrierte das uralte Ritual des
Za-Ilmak’un.
Eine Folge von Worten und Gesten, die die Kräfte beider Welten zusammenhielt und immerwährende Stabilität gewährleistete.
Die Hexenmeisterin atmete schneller. Eine Vision nahm Gestalt an. Das Bild einer aufgehenden Sonne. Ein gewaltiger
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