Korsar meiner Träume
machen.«
Obwohl Blake zustimmend nickte, blieb das ungesagt, was sie beide dachten. Konnte es überhaupt noch schlimmer werden, als es schon war?
»Gott«, sagte Blake und hielt sich die Augen zu.
»Ich habe Angst, dass er nicht lange genug durchhält, damit wir ihm helfen können. Alicia wird am Boden zerstört sein, falls er geht, ohne ihr Lebewohl zu sagen.«
Nate lächelte trotz der Faust, die ihm schier das Herz zerquetschte.
»Er hat eine Schwäche für Alicia.«
Blake begegnete seinem Blick. »Und sie für ihn. Und nach dem, was ich sehen konnte, hat er auch eine Schwäche für Claire. Für einen so kleinen Mann kann er dir ganz schön unter die Haut kriechen und dort steckenbleiben.«
Weil er Zeit brauchte, die Gefühlsanwandlung zu bekämpfen, die ihn zu überwältigen drohte, trank Nate noch einen Schluck Rum. Dann setzte er den Krug ab und schaute hinüber zum Bett, wo Vincent ruhte. Nate hielt den Atem an, bis er sah, wie die Bettdecke sich unter Vincents Atemzügen hob und senkte.
»Du würdest es doch gar nicht anders wollen«, flüsterte Nate und spürte, wie Blakes Blick ebenfalls zum Bett streiften.
»Nein«, antwortete sein Freund leise, »das würde ich ganz gewiss nicht.«
Um die Mitte des Nachmittags des nächsten Tages war Claire mehr als erschöpft. Sie ließ die Schultern hängen, ganz egal wie sehr sie sich auch bemühte, sie straff zu halten. Ihre Augen fühlten sich an, als ob sie diese mit Sand gewaschen hätte, und ihre Nerven waren angespannter als die Seile, die die Segel strafften. Sie hatte weder Blake noch Nate seit dem Tag zuvor gesehen, und Angst und Sorge fraßen sie schier bei lebendigem Leib auf. Sie marschierte hin und her, fluchte, betete. Als Nate schließlich aus der Luke trat, war sie kurz davor gewesen, die Reling anzuknabbern.
Jede Hand hielt inne, jedes Paar Augen hing an Nate. Er sah seine Mannschaft an, schüttelte ein wenig den Kopf und sagte:
»Er ist schwach, aber immer noch bei uns.«
Claire presste sich die Hand aufs Herz, dann senkte sie den Kopf, als Tränen ihre Augen füllten. Vincent lebte. Sie musste sich daran festhalten, sich an jedem Stückchen Hoffnung festklammern.
Es überraschte sie, als Nate direkt auf sie zukam.
»Vincent möchte dich sprechen.«
Claire sah nichts außer Müdigkeit und Sorge in seinen Augen, dennoch konnte sie nicht anders, sie musste sich fragen, ob Nate sie ebenso für Vincents Wunde verantwortlich machte, wie sie selbst es tat. Er war wegen des Schatzes verletzt worden, und sie war bereits auf genügend Schiffen gewesen, um zu wissen, dass das Gewicht des Schatzes sie aufhielt und dafür sorgen konnte, dass sie den Arzt nicht mehr rechtzeitig erreichen würden.
»Vielen Dank«, sagte sie, als Nate die Luke für sie öffnete.
Sein Blick verweilte auf ihr, und sie konnte es nicht verhindern. Er litt, und sie hasste es, diesen gequälten Blick in seinen Augen zu sehen. Sie nahm seine freie Hand und drückte sie.
»Es ist ein gutes Zeichen, dass er redet, nicht wahr?«
Nate schüttelte den Kopf und seufzte schwer.
»Ich hoffe es, aber ich weiß es nicht.«
Er reagierte nicht auf ihre Berührung, und sie ließ die Hand sinken. Wieder überkamen sie Schuldgefühle und lasteten noch schwerer auf ihren ohnehin schon müden Schultern.
Nate wartete, bis sie hinuntergegangen war, dann schloss er vorsichtig die Luke über ihrem Kopf.
Es überraschte sie, wie hell die Kajüte war. Vielleicht weil die Umstände so düster waren, hatte sie erwartet, dass sie dunkel und finster sein würde. Stattdessen strahlten die Sonne und das Licht, das vom Meer zurückgeworfen wurde, durch das Fenster und verbreiteten sowohl ihre Wärme als auch ihre Freude im Raum.
»Bleib nicht zu lange«, mahnte Blake, als er vom Tisch aufstand, der eine Ecke ausfüllte.
»Er ermüdet leicht.«
»Das werde ich nicht«, versprach sie.
Er trat näher, nahm einen Stuhl und stellte ihn neben das Bett für sie.
»Setz dich, bevor du dir auch noch mehr Schmerzen zufügst.«
Der Blick, den er ihr zuwarf, ließ keinen Widerspruch zu, und sie setzte sich hin. Sie schaffte es gerade noch, bis er gegangen war, bevor sie vor Schmerz aufstöhnte.
»Hast du große Schmerzen?«
Claire musste heftig schlucken, und als Vincent sie anblickte, versuchte sie, sich ihre Pein nicht ansehen zu lassen.
»Nur ein bisschen.«
Sein Lächeln war schwach, aber für Claire war es das strahlendste Lächeln, das sie je gesehen hatte, und sie betrachtete es voller
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