Korsar meiner Träume
sehr lieb war, konnte kein Lächeln auf sein Gesicht zaubern. Als sie ihm ihre traurigen Augen zuwandte, fragte Nate sich, ob er wohl jemals wieder lächeln würde wollen.
»Du siehst furchtbar aus«, sagte sie, bevor sie ihre Arme um ihn schlang.
Sie sah heute mit ihrem blauen Baumwollkleid nicht wie eine Schmiedin aus, aber ihre Arme hielten ihn mit der Kraft einer solchen umschlungen. Er küsste sie auf den Kopf und wünschte sich für einen Moment, Claire wäre in seinen Armen. Dann hielt er Alicia dankbar fest.
»Es tut mir so leid«, sagte sie, und er spürte ihr Kinn zittern.
»Ich wünschte, ich hätte ihm Lebewohl sagen können.«
Nate konnte nicht sprechen. Konnte ihr gegenüber nicht ausdrücken, dass einige von Vincents letzten Worten ihr gegolten hatten. Die Übermacht seiner Gefühle ließ ihm schier die Brust zerspringen. Weil er nicht wusste, wie er damit umgehen sollte, trat Nate ein wenig zurück.
»Er hat an dich gedacht«, antwortete stattdessen Blake mit zitternder Stimme.
»Er hat uns gebeten, dir Lebewohl zu sagen.«
Samantha war zusammen mit Alicia angekommen, und als ihre Schwester zurück in die Arme ihres Ehemannes stürzte und weinte, nahm Samantha Nates Hand und drückte sie. Die Frau mit den goldenen Augen, die Frau, die Sam Steele erschaffen hatte, sah ebenso untröstlich aus, wie Nate sich fühlte.
»Ich weiß, was es bedeutet, ein Familienmitglied zu verlieren. Vincent war ein Teil unserer Familie, genauso wie du es bist. Wenn ich irgendetwas tun kann, um dies leichter …«
Er zog sie in die Arme und hielt sie fest. Zu Beginn war er ganz alleine gewesen, aber dank Blake und Vincent hatte er eine Familie bekommen. Blake hatte Alicia geheiratet und ihm dadurch Nichten und Neffen geschenkt und ebenfalls Samantha, Luke, Aidan und Joe. Es war zwar keine Familie im herkömmlichen Sinne, aber weil er nie eine solche gehabt hatte, bedeutete ihm die Familie, die er gefunden hatte, sogar noch mehr.
»Er wollte Steele werden.«
Samantha löste sich ein wenig aus seiner Umarmung und fragte:
»Wollte er das?«
»Ich habe es auch nicht gewusst, jedenfalls nicht, bis er es mir gesagt hat. Er wusste, ich wollte aussteigen, und er wollte eine Gelegenheit bekommen, etwas zu beweisen.
»Er hat seinen Bruder gebeten, es an seiner Stelle zu tun.«
»Wie bitte?« Nate drehte sich zu Blake um.
»Das höre ich gerade zum ersten Mal.«
Blake rieb sich die Augenbrauen.
»Er hat mich gebeten, einen Brief für ihn zu schreiben, kurz bevor … nun ja, ich schrieb das nieder, worum er mich gebeten hat. Er hat einen Bruder, der Cale heißt, und ich soll ihm diesen Brief geben.«
Nate richtete sich auf.
»Cale? Wusste Vincent denn, wo er lebt?«
»Angeblich lebt er in Nevis.«
Nate atmete scharf ein. Konnte das derselbe Cale sein, der beim Pokerspiel gewesen war?
»Ich werde nach der Beerdigung nach Nevis fahren und nachsehen, ob ich ihn finden kann. Der Mann wird schlicht ablehnen – zur Hölle, warum sollte er das auch nicht tun? – aber ich habe Vincent versprochen, dass ich seinem Bruder diesen Brief gebe.«
Nate zögerte nicht.
»Ich werde mit dir gehen.«
Samantha schüttelte den Kopf.
»Aber wenn du es leid bist, kann Steele doch auch jetzt einfach sterben.«
»Das liegt an Cale. Da ihr beide jetzt hier seid, werde ich in der Zwischenzeit den Prediger informieren. Wir können die Beerdigung heute Nachmittag abhalten.«
»Was ist mit Claire?«, fragte Blake.
»Wer ist Claire?«, wollte Alicia wissen. Trotz des ernsten Anlasses begannen ihre blauen Augen zu funkeln.
Alicia hatte versucht, eine Ehefrau für Nate zu finden, seit sie Blake geheiratet hatte. Nate hatte auf der Isla de Hueso schon geglaubt, er würde endlich die einzige Frau heiraten, die sein Herz je erobert hatte. Aber seit sie zurück in Santo Domingo waren, hatte er Claire nicht mehr gesehen. Er strich sich mit der Hand über seine stoppeligen Wangen. Sich zu rasieren war ebenfalls etwas gewesen, worum er sich schon seit Tagen nicht mehr gekümmert hatte.
»Es ist eine lange Geschichte. Ich bin sicher, du wirst sie auf der Beerdigung sehen. Falls ich sie rechtzeitig finden kann.«
Alicia sah Samantha an. Ihre Schwester nickte. Dann sah sie wieder zu Nate, und ihre Augen leuchteten vor Entschlossenheit.
»Sag mir, wo du sie vermutest und wie sie aussieht. Wir werden sie schon finden.«
Vielleicht gewöhnte sie sich ganz einfach an den Schmerz, dachte Claire, während sie im Feuer herumstocherte. So oder
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