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Korsar meiner Träume

Korsar meiner Träume

Titel: Korsar meiner Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Beattie
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anders. Ich habe ihn noch nie so aufgebracht gesehen«, fügte er aufgeregt hinzu.
    Claire hatte sich schon gefragt, wofür Nate ein Schiff brauchte. Jetzt wusste sie es. Falls Nate sich auf Schlachten einließ, dann war er höchstwahrscheinlich ein Freibeuter. Die meisten Handelsschiffer nahmen nicht oft an Schlachten teil, und die meisten hatten auch keine neue Schaluppe.
    »Das war seine Wut, die du gesehen hast.«
    »Und hier spricht der Leichtsinn, aber«, antwortete er und hob die Hand, um ihre Erwiderung abzuwehren, »ich werde mich mit dir nicht darüber streiten. Wenigstens nicht heute Abend.«
    Sein Grinsen war einnehmend und Claire spürte, wie sich ihr Mund zu einem Lächeln verzog.
    »Du bist aber hartnäckig.«
    »Das kommt davon, wenn man mit fünf Schwestern aufwächst.«
    »Keine Brüder?«
    Vincents Lächeln wurde zu einem Stirnrunzeln.
    »Einen. Er ging fort, als ich noch ein kleiner Junge war. Er wollte nichts mit mir zu tun haben. Ich erfüllte nicht die Erwartungen, sozusagen.«
    Claire erinnerte sich an Vincents Bemerkung, immer nur als halber Mann angesehen zu werden. Dass sein eigener Bruder ebenso empfunden hatte, musste katastrophal für Vincent gewesen sein.
    »Das tut mir leid«, antwortete sie.
    »Aber er hat sich geirrt. Ich würde sagen, nach dem zu urteilen, was ich bis jetzt gesehen habe, hat dein Bruder es sich entgehen lassen, einen sehr ehrenhaften Mann kennenzulernen.«
    Zu ihrem Schrecken glänzten Vincents Augen nun vor Tränen.
    »Meine Liebe, ich habe noch niemals nettere Worte gehört. Vielen Dank.«
    Wärme breitete sich in Claire aus. Sie hatte es nicht erwartet, hatte es gewiss nicht darauf angelegt, aber sie spürte in diesem Moment, dass sie einen Freund gewonnen hatte.
    »Meine Mutter starb als ich neun war. Sie hatte eine schwere Erkältung, die zu Fieber führte und einem Husten, der einfach nicht verschwinden wollte. Ich wusste nicht, was es war, aber als das schwere Husten begann, ein Husten, das so heftig war, dass es gar nicht mehr aufhörte, da wusste ich, dass sie sehr krank war.«
    Claire atmete zitternd ein. Darüber zu reden war nicht einfach, selbst nach so vielen Jahren.
    »Sie starb einen Tag vor meinem zehnten Geburtstag.«
    »Das tut mir leid.«
    Claire zog die Nase hoch.
    »Wir haben sie an meinem Geburtstag beerdigt, neben dem Garten, den sie so sehr liebte. Später an jenem Abend gab mein Vater sein Bestes, um mir einen schönen Geburtstag zu machen. Er schnitt ein Stück aus dem Kuchen, den eine Nachbarin gebracht hatte, und sang mir etwas vor, obwohl er die meiste Zeit dabei weinte.
    Die Tage danach waren schrecklich. Wir waren beide so traurig und verloren ohne sie. Wir fuhren so gut wir konnten mit unserem Leben fort, hielten eine Routine aufrecht, aber wir stocherten nur noch in unserem Essen herum und starrten ins Leere. Am Ende des Tages saßen wir im Wohnzimmer, aber es wurde nichts gesprochen, und Stunden später gingen wir zu Bett, wieder schweigend, nur um alles am nächsten Tag zu wiederholen.
    Das ganze erste Jahr nach ihrem Tod verging so. Aber dann, am Tag nach ihrem ersten Todestag, brachte er die Karte mit nach Hause. Vincent, danach änderte sich alles. Er hatte wieder ein Ziel vor Augen, und zu sehen, wie das Leben in ihn zurückkehrte, war alles, was ich brauchte. Zuerst interessierte ich mich nicht für die Karte oder den Schatz, denn das war nicht wichtig. Ich wollte nur meinen Vater zurückbekommen, und die Karte hatte das für mich erreicht.
    Doch dann sprang seine Begeisterung auf mich über. Bald schon dachten wir uns Geschichten über den Schatz aus und die Abenteuer, die wir erleben würden, wenn wir danach suchten. Vincent, diese Karte gab uns Leben zurück, und wenn wir darüber redeten, glaubte ich fest daran, dass wir den Schatz finden würden.«
    »Aber Nate hatte heute Abend auch ein Stück von der Karte. Wie viel hattet ihr denn davon?«
    »Mehr als die Hälfte. Das Problem war die rechte Seite – der Teil, den ich jetzt habe«, fügte sie hinzu und klopfte sich auf die Brust, »die fehlte. Ohne das Stück …«
    »… konntet ihr nicht sicher sein, wo ihr suchen solltet.«
    »Wir haben bloß Vermutungen angestellt. Gute Vermutungen, wir waren nicht töricht genug, komplett blind loszuziehen, aber ja, ohne den Rest konnten wir nicht sicher sein.«
    »Aber es war genug, um euch beide so aus dem Häuschen zu bringen?«
    Claire lachte.
    »Ich glaube, mein Vater wäre auch mit noch weniger losgezogen.« Sie seufzte,

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