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Korsar meiner Träume

Korsar meiner Träume

Titel: Korsar meiner Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Beattie
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verkrüppelter Mann, der weitschweifige Reden hielt, die meistens keinen Sinn ergaben. Er sprach von seinen Kindern, so als ob sie erst gestern geboren worden wären. Er sprach von Gott und im selben Atemzug vom Teufel. Einem Teufel mit einer Pistole und einer neunschwänzigen Katze.
    Manchmal erinnerte er sich bei meinem nächsten Besuch nicht mehr an mich, aber das war unwichtig. Man hatte mir auf meiner Suche nach der Wahrheit erzählt, dass es da einen Mann gab, der behauptete, an Bord der Emmeline gewesen zu sein. Obwohl die anderen das als Unsinn abtaten, tat ich das nicht. Nicht, nachdem er mir die Narben auf seinem Rücken gezeigt hatte, und ganz gewiss nicht, nachdem ich nach mehreren Anläufen schließlich einen seiner vernünftigen Momente miterlebte.
    Die Wolken, die seine blauen Augen normalerweise grau erscheinen ließen, hatten sich gelichtet. Als er mich ansah, als er mit mir über den Schrecken sprach, den er gesehen hatte, als er den Schatz beschrieb, die Fässer und Beutel ganz genauso, wie ich mich an sie erinnerte, da wusste ich, er war an Bord der Emmeline gewesen.
    Ich besuchte ihn von nun an täglich, aber die Momente des Wahnsinns kamen nun in immer größerer Anzahl und dauerten immer länger. Tage vergingen, an denen ich nicht ein einziges Wort von dem verstand, was er erzählte. Und als ich bereits beinahe aufgegeben hatte, bereit war, nach Hause zurückzukehren, da hatte er einen letzten Moment der Klarheit.
    »Der Schlüssel«, hatte er gesagt, »ist in der Letzten. Pass gut auf, und du wirst ihn finden.«
    Wo war er? flehte ich ihn an. Er packte meine Hand, und als seine Augen anfingen, sich zum allerletzten Mal zu bewölken, gelang es ihm zu sagen:
    »Dort, wo man nichts fürchten muss …«
    Leider habe ich nicht herausgefunden, was er gemeint hatte. Aber ich schreibe diese Worte in der Hoffnung, dass eines Tages einer der Meinen es herausfinden wird.
    Nun, dachte James, als er einen großen Schluck Rum trank, keiner hatte es bisher herausgefunden. Seine Großmutter, das einzige Kind von Isabella und Roberto, hatte es noch nicht einmal versucht. Sie hatte einen Engländer geheiratet, zum Glück erst, nachdem ihr Vater gestorben war, aber sie hatte den Wunsch ihres Vaters in Ehren gehalten, dass seine Nachkommen den Schatz finden sollten. Da auch sie nur eine Tochter hatte, hatte sie gewartet, bis ihr Enkel, James, alt genug war, die Geschichte seines Urgroßvaters zu erfahren.
    Wie sein Vorfahre war auch James davon getrieben, diesen Schatz zu finden, jedoch nicht für etwas so Edles wie sein Land. Er hatte geglaubt im Vorteil zu sein, weil er wusste, dass der Schatz auf die Emmeline gebracht worden war, aber es hatte seiner Suche nichts genutzt.
    Es gab unzählige Inselgruppen über die Karibik verteilt, und die Gegend zwischen Nombre de Dios und Santo Domingo war dabei keine Ausnahme. James schob vorsichtig den Brief beiseite, dann zog er seine Seekarten näher heran. Seine Finger glitten über die Inseln zwischen den beiden Häfen. Wo auch immer eine Inselformation Ähnlichkeit mit einer Linie hatte, war er zur letzten Insel in der Linie gesegelt. Manchmal hatte er die erste abgesucht, da es bei der letzten darauf ankam, wo der Ausgangspunkt war. Er hatte nie etwas gefunden. Gewiss, da der Schatz nicht deutlich sichtbar versteckt sein würde, konnte er nicht viel mehr tun, da er nicht herausfinden konnte, wo genau er suchen musste. Ohne die Karte konnte er nicht viel mehr tun, als ein paar Höhlen abzusuchen.
    Die Worte seines Urgroßvaters über einen Ort, wo man sich nicht fürchten musste, halfen ihm ebenfalls nicht weiter. Die Piraten, das Wetter, eine Krankheit, der Essenmangel, das Fehlen von Geld. In James’ Vorstellungswelt gab es da immer irgendetwas, was ein Mann fürchten konnte, wenn er dazu neigte. James zuckte mit den Schultern und trank noch einen Schluck Rum. Was ihn betraf, konnte er bloß Pläne schmieden und diese verfolgen. Nicht, dass er nicht darum kämpfte, das zu beschützen, was sein war, aber es brachte ihn nicht um den Schlaf, über das nachzudenken, was er nicht ändern oder verhindern konnte.
    Dennoch änderte das nichts an der Tatsache, dass es für die meisten Menschen immer irgendetwas gab, vor dem sie sich fürchteten. Wie konnte also ein Ort existieren, wo es nichts zu befürchten gab? Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und überlegte. Da Nate seinen Kurs geändert hatte, konnte James bloß annehmen, dass er die Karte entschlüsselt hatte. Auf

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