Korsar meiner Träume
sie den Kurs gewechselt hatten, war er dieses Mal nicht gezwungen gewesen, sich sonderlich zu beeilen, um die nötigen Korrekturen zu machen.
Es war reines Glück gewesen, dass sie Nates Schiff in jener ersten Nacht nicht verloren hatten. Er war wach geworden und hatte es an seiner Steuerbordseite verschwinden sehen, beinahe schon völlig außer Sicht. Er hatte gebrüllt und geflucht und seine Männer den ganzen Tag lang auf Trab gehalten, bis sie etwas Boden gutgemacht hatten. Nicht viel. Nicht genug, um eine tatsächliche Bedrohung zu schaffen. Gerade genug, um Nates Schiff in Sichtweite zu behalten.
James gab seinem Steuermann klare Instruktionen, den derzeitigen Abstand zwischen den Schiffen beizubehalten, dann ging er unter Deck. Sonnenlicht stieß in fingerdicken Strahlen durch das Glas und erhellte den Raum. James schlenderte zum Tisch und zog mit einem scharfen, knallenden Geräusch den Korken aus einer Flasche Rum. Er goss sich einen halben Becher voll, steckte den Korken wieder hinein und setzte sich hin. Er zog ein Stück Papier unter seinen Karten hervor, das vom vielen Falten im Laufe der Jahre ganz dünn geworden war. Es hatte sowohl die Farbe als auch die Zerbrechlichkeit einer frisch gebackenen Kuchenkruste. Vorsichtig legte James es vor sich hin. Es war ein Bericht seines Urgroßvaters, der in akkurater Schrift verfasst war.
Er datierte aus dem Jahr 1570.
Ich hatte niemals etwas gesehen, was mit dem vergleichbar gewesen war, was ich in jener Nacht sah. Es gab so vieles davon. Fässer, Truhen, Beutel. Alles, so schien es, war damit gefüllt. Männer, so viele, dass ich den Überblick verlor, transportierten es von den Laderäumen der Santa Francesca in die der Emmeline. Ich habe beinahe erwartet, sie würde sinken, denn sie war so schwer beladen, wie ich es noch nie gesehen hatte. Wir arbeiteten in der Dunkelheit, jeder von uns tropfte vor Schweiß durch die Anstrengungen. Wir waren müde, unsere Knochen schmerzten, doch wir wurden nicht langsamer.
Wir kannten den Wert dieses Schatzes, und wir wussten auch, wie wichtig das war, was wir taten: Täuscht alle, und bringt den Schatz nach Spanien. Wir wollten alle, dass er dort ankam, denn ihn den Piraten auszuliefern, oder noch schlimmer, den Engländern, war undenkbar. Nach Spanien, in die Hände unseres Königs, dort gehörte dieser Schatz hin.
Während wir zusahen, wie die Emmeline in jener Nacht von diesem Fleckchen Land davonsegelte, und wir alle wieder in unsere Boote sprangen, um nach Hause zu fahren, da waren wir alle sicher, so würde es geschehen.
Wir erfuhren erst einige Zeit später, dass sie nie in Spanien angekommen war. Der Gedanke machte mich krank, dass der ganze Schatz irgendwo auf dem Grunde des Ozeans lag, oder noch Schlimmeres passiert war. Es fraß mich schier auf. Ich konnte nicht schlafen, ich hatte Mühe, etwas zu essen, und das, was ich aß, drehte mir den Magen um. Von einem heftigen Bedürfnis nach Aufklärung besessen, wollte ich wissen, was mit dem passiert war, das aus unserer Erde gekommen war und bei unserem Volk bleiben sollte. Also verließ ich Nombre de Dios und meine wunderschöne Isabella.
Es dauerte viele Monate, aber schließlich erfuhr ich, dass die Emmeline in Santo Domingo Halt gemacht hatte. Es wurde erzählt, sie sei bereits ausgeraubt gewesen, bevor sie dort ankam. Zuerst glaubte ich das, und mein Herz wurde ganz schwer von dem Verlust. Aber da gab es zu viele andere Geschichten, diese von einer zerrissenen Karte, die zurückgelassen worden war, jene von einem Schatz, der versteckt worden war, um ihn in Sicherheit zu bringen. Die Männer von der Emmeline waren tot, und diejenigen von uns, die den Schatz umgeladen hatten, wussten, es war klüger, unsere Tat geheim zu halten.
Dennoch wusste ich, ein paar dieser Männer, wie ich selbst auch, hatten nie damit aufgehört, an den Schatz zu denken. Noch hatten sie aufgehört, danach zu suchen. Wie ich jetzt so daliege und das Alter und die Krankheit mein Leben viel früher einfordern, als ich bereit bin es zu geben, da wünsche ich mir, ich hätte ihn gefunden. Ich habe es versucht. Jede Gelegenheit, die sich bot, jede freie Minute, die ich erübrigen konnte, widmete ich dem Schatz. Doch während mein Atem in meiner Brust rasselt, ist leider alles, was ich über den Schatz der Emmeline in Erfahrung gebracht habe, die Worte eines anderen alten Mannes.
Ich traf ihn vor einigen Monaten, bevor meine Gesundheit anfing, mich im Stich zu lassen. Er war ein alter,
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