Korsar meiner Träume
mir wenigstens eine Decke schnappen.«
Die Erinnerung war scharf. Die Zeit hatte die Umrisse nicht getrübt.
»Er lag über ihr, die Hose immer noch um die Fußgelenke. Seine Hände lagen um ihren Hals herum. Sie war tot.«
Claire keuchte und fasste sich an die Kehle.
»Ich erinnere mich kaum mehr an das Folgende. Er hatte seine Jacke und seine Schwertscheide ausgezogen und auf den Tisch gelegt. Das Nächste, was ich noch weiß, war, dass ich das Schwert in Händen hielt, der Mann über meiner Mutter ausgestreckt lag und ich voller Blut war.« Er sah auf seine Hände hinab, konnte sie immer noch voller Blut sehen.
»Meine Mutter hatte mir, wenn sie völlig betrunken war, oft gedroht, dass sie mich ins Waisenhaus bringen würde, falls ich zu viel redete oder ihr in die Quere käme.« Er zuckte die Achseln.
»Ich nahm an, das Leben könne dort auch nicht schlimmer sein als das, was ich hatte, also ging ich dorthin.«
Sein Blick begegnete ihrem, und er fühlte sich durch das Verständnis, das er darin sah, irgendwie gesäubert. Ihm wurde klar, dass er zum Teil auch deshalb niemals jemandem etwas davon erzählt hatte, weil er Angst gehabt hatte, man würde ihn für eine Art Dämon halten, weil er einen Mann getötet hatte, als er gerade mal vier Jahre alt gewesen war.
Claire stand auf und wischte ihm eine Träne aus dem Auge, die er gar nicht bemerkt hatte.
»Es tut mir leid.«
»Als ich dir unterstellt habe, eine Hure zu sein -«
Sie brachte ihn mit einem Kuss zum Schweigen. Einem Kuss, der gleichzeitig besänftigte und etwas entflammte.
»Du wusstest, ich bin allein durch die Karibik gereist. Angesichts deiner Vergangenheit und dem, was du bereits von mir dachtest, was sonst hättest du denn denken sollen?«
»Kannst du so einfach vergeben?«
Ihr Lächeln umfing sein Herz und zog die zerschmetterten Teile wieder zusammen.
»Ich habe auch ein paar Dinge gesagt, auf die ich nicht stolz bin. Und ein paar Dinge getan.«
»Erzähl mir von deinem Ehemann.«
Claire schüttelte ihren Kopf.
»Ein Fehler, den ich zu spät bemerkt habe. Ich schäme mich für meine Taten.«
»Ich habe einen Mann ermordet, Claire. Es ist schwer, sich für etwas noch mehr zu schämen als dafür.«
»Du warst jung, verängstigt. Kein Gericht würde dir die Schuld geben.«
»Das ist aber nicht wichtig, nicht wahr? Nicht, wenn du dir selbst die Schuld gibst.«
Claires Augen schimmerten feucht, als sie an ihre eigenen Schuldgefühle dachte.
»Nein, ist es nicht.«
»Erzähl es mir.«
»Ich kann nicht.«
Als sie sich wegdrehte, fasste er sie am Arm.
»Warum nicht?«
»Weil ich eine Närrin war und naiv, und ich wünschte, es wäre niemals passiert.« Ihre Augen funkelten, als sie seinem Blick begegnete.
»Und dir diese traurige Geschichte zu erzählen, wird nichts daran ändern.«
Sein Griff wurde fester.
»Nein, wird es nicht. Aber ich werde es erfahren, auch wenn es lange dauert. Ich muss es einfach wissen, Claire.«
Ihre Blicke trafen sich. Die Luft zwischen ihnen schien zu knistern. Claire lenkte als Erste ein.
»Lass mich los.«
Sie zerrte heftig, und er ließ sie los. Dann ging sie vor dem Feuer auf und ab und rieb sich die Arme.
»Erinnerst du dich an Quinn Litton?«
»Den Mann, der Geld gespendet hat, damit das Waisenhaus fortbestehen konnte? Wie könnte ich den vergessen? Er hat mich ganz schön schuften lassen. Kein Besuch, ohne dass er mich fand und mir noch mehr Arbeit aufhalste. Er sagte, ich wäre schon zu alt, um dort zu sein. Ich wusste, das war ich, aber ich habe ohne Lohn gearbeitet, also weiß ich nicht, weshalb er sich überhaupt darüber beschweren musste.«
»Er hat uns alle hart schuften lassen. Behauptete, wir müssten ihm mehr Dankbarkeit zeigen.«
»Ich hasste ihn. Hasste die Art, wie er ein paar der Mädchen ansah.«
Claire hielt inne und sah auf die Flammen hinunter.
»Hat er dich angefasst?«, fragte Nate, und allein bei dem Gedanken wurde ihm übel. Litton war alt genug, um ihr Vater sein zu können. Wenn er redete, dann hatten seine Hängebacken gewackelt und auch sein Bauch, und sein Atem hatte immer gestunken.
»Das tat er, nachdem wir verheiratet waren.«
Nate konnte nicht glauben, dass er richtig gehört hatte.
»Du hast Quinn Litton geheiratet?«
Claire lächelte spöttisch.
»Du bist nicht der Einzige, der sich wegen seiner Vergangenheit schämt. Litton erzählte mir, er würde das Waisenhaus nicht mehr länger unterstützen, falls ich ihn nicht heiratete. Nate, ihm gehört
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