Korsar und Kavalier
geknotet. „So ist es viel besser. Jetzt können wir unsere Würde bewahren, wenn Stevens den Schlag öffnet.“
Prudence rang sich ein schwaches Lächeln ab. „Das ist auch sehr wichtig.“
„Die Würde zu bewahren? Manchmal ja.“ Er lächelte strahlend. „Manchmal kann es aber auch ganz schön lästig sein.“ Ohne Vorwarnung streckte er die Arme aus und zog Prudence wieder auf seinen Schoß.
„Was machst du da?“
„Ich halte mich warm.“ Er breitete den Mantel über ihnen beiden aus und lehnte sich in die Ecke zurück.
Sicher umhüllt, legte Prudence die Wange an seine Brust. Sobald die Treuhänder ihr Einverständnis erklärten, würde er sicher nach London gehen, und dort würden es sich die Damen des ton sofort zur Aufgabe machen, ihm eine Frau aus seiner eigenen Klasse zu besorgen.
Und diese Frau wäre gewiss nicht sie. Nie wieder wollte sie in die herzzerreißende Leere zurückkehren, die London für sie inzwischen bedeutete. Nie wieder wollte sie in die Eingangshallen der großen Stadthäuser treten und das Geflüster hören, das grausame spöttische Gelächter oder, schlimmer noch, die überlegenen Blicke der Gleichgültigen spüren.
Tristan schob ihr eine Locke aus dem Gesicht. „Ich habe gewusst, dass du eine leidenschaftliche Frau bist. Aber vor heute Nacht wusste ich gar nicht richtig, was Leidenschaft bedeuten kann.“
Prudence versuchte zu lächeln und kuschelte sich fester an ihn. „Es war wunderbar.“
Und das war es auch gewesen. Und würde es noch sein. Bis die Wirklichkeit wieder in ihr Leben einbrach. Daran wollte sie fürs Erste jedoch nicht denken.
Sie lauschte auf seinen steten Herzschlag, die Wange an das frische Leinenhemd gebettet. Sein Atem wurde langsamer, sein Körper entspannte sich, und sie fragte sich, ob er eingeschlafen war.
Sie hätte nie gedacht, dass sie sich noch einmal verlieben könnte, nicht nach Phillip. Doch sie hatte sich getäuscht.
Tristan bewegte sich ein wenig. Sein Arm schloss sich fester um Prudence, als wollte er sie noch enger an sich ziehen. Die Wärme seiner Umarmung beruhigte sie.
Prudence regte sich nicht. Sie blinzelte die Tränen zurück, noch während sie sich an ihn schmiegte. Bald würden die Treuhänder kommen, und sobald sie ihm das Vermögen zusprachen, gäbe es keinen Grund mehr für sie, weiter bei ihm zu sein. Sie würde gehen müssen, und zwar bald.
Bis dahin wollte sie ganz für den Augenblick leben, ihn auskosten, so gut sie konnte, und ihn dann hinter sich lassen. Genauso würde sie ihn gehen lassen müssen. Genau wie sie Phillip hatte gehen lassen müssen ...
Die Kutsche schwankte abrupt und warf beide gegen die Tür. Tristans Arme fassten sie fester, und er federte den Aufprall größtenteils mit der Schulter ab.
„Was treibt dieser verflixte Kutscher da?“, knurrte Tristan, als sie wild auf die andere Seite flogen.
Wieder tat die Kutsche einen Satz, heftiger noch als beim ersten Mal. Tristan wurde nach vorn geschleudert. Mit einem Arm hielt er Prudence fest, mit dem anderen fing er sein Gewicht ab. Sein schlimmes Bein schlug gegen die Sitzkante. Er stieß einen Schmerzenslaut aus.
Nun schaukelte der Wagen von einer Seite zur anderen, als ob ihnen die Höllenhunde auf den Fersen wären, und die Kutschenlampe schwang flackernd am Deckenhaken.
Ein Schuss peitschte durch die Nacht und hallte in der tiefen Stille noch lange nach.
Tristan sah nach draußen und fluchte. „Verdammt! Straßenräuber! “ Er drückte Prudence auf den Boden und griff nach einem Kasten hinter ihr, in dem zwei Pistolen lagen. Mit kaltem Lächeln holte er sie heraus. „Keine Angst, meine Liebste. Diese Straßenräuber werden den morgigen Tag nicht erleben. “
17. KAPITEL
Möglicherweise entdeckt man, dass sich hinter der streitsüchtigen Art des Dienstherrn nur seine Vorliebe für einen guten Kampf verbirgt. Man wundere sich nicht darüber. Auch der Adel findet Boxkämpfe hin und wieder amüsant.
Leitfaden für den vollkommenen Butler und Kammerherrn von Richard Robert Reeves
Tristan blies die Lampe aus, worauf das Kutscheninnere in absolute Dunkelheit getaucht war. Er tastete erneut unter dem Sitz, bis er einen weiteren Kasten gefunden hatte, länger als der erste. Er öffnete ihn und holte einen Degen heraus.
Prudence packte ihn am Knie. „Tristan, gib mir eine Pistole.“
Obwohl er ihr Gesicht nicht sehen konnte, konnte er sich die ruhige Tapferkeit in ihren Augen gut vorstellen. „Kannst du schießen?“
„Natürlich. Mein
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