Korsar und Kavalier
gemeint ...“
„Doch, natürlich. Und ich stimme zu. Wir müssen uns wirklich anstrengen, wenn wir dieses verdammte Vermögen erlangen wollen.“
„Da bin ich anderer Ansicht. Im Großen und Ganzen sind Ihre Manieren vollkommen akzeptabel. Sie brauchen sich nur noch ein paar Benimmregeln anzueignen ... das ist alles.“
Er lächelte. „Zum Beispiel, dass man seine Lehrerin nicht küssen darf?“
„Genau.“ Sie ignorierte die Hitze, die in ihr auf stieg und sich in ihre Wangen ergoss. Eigentlich neigte sie nicht dazu, zu erröten, aber jetzt passierte es ihr laufend - immer dann, wenn der Earl den Blick auf sie richtete. Sie fragte sich, ob sie an einem Fieber litt. Ja. Genau da lag das Problem: Sie hatte eine Krankheit aufgeschnappt, und sie würde genau in dem Moment genesen, da sie dem Mann entronnen war, der sie immer noch beobachtete.
Schade, dass er so unpassend war. Sie hätte beinah das Gesicht verzogen - „unpassend“ beschrieb den Earl nicht einmal annähernd. Er war attraktiv und auch zur Fürsorge fähig, was man daran erkannte, wie er sich um seine Männer sorgte. Doch er war gleichzeitig dominant und barsch und besaß einen ruhelosen Geist. Ein Mann wie er nahm sich sein Vergnügen, wann und wo er es fand, und verabschiedete sich dann. Sie wusste genau, dass er jetzt nicht neben ihr stünde, wäre er nicht in der Schlacht verwundet worden.
Der Gedanke war ernüchternd. Sie schob ihn beiseite und rang sich ein Lächeln ab. „Wollen wir anfangen?“
„Tun Sie Ihr Schlimmstes, Madam.“
Prudence dachte einen Augenblick nach. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie er das Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagerte. „Bestimmt tut Ihnen das lange Stehen nicht gut. Nehmen Sie doch auf dem Sessel Platz, ich setze mich hierher.“ Sie ließ sich auf der Kante des Sofas nieder. Na also. Eine gute, sichere Distanz.
Er zögerte und ging dann zum Sessel. „Ich bin kein Invalide, wissen Sie.“
„Das habe ich auch nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, dass Sie es im Sitzen vielleicht bequemer hätten. Ich setze mich jedenfalls lieber hin.“
Seine Miene verfinsterte sich kurzzeitig, dann jedoch setzte er sich. Er streckte das steife Bein aus und stellte den Stock an die Seite.
Prudence beobachtete ihn unter den Wimpern hervor. „Am besten fangen wir mit etwas Einfachem an. Titel sind sehr einfach, wenn man sich einmal die Reihenfolge eingeprägt hat. Bei Abendgesellschaften orientiert sich die Sitzordnung am Rang der Gäste ... “
„Warum haben Sie sich bereit erklärt, mir zu helfen?“
Sie hielt inne. „Spielt das eine Rolle?“
„Ja. Sie wissen, warum ich hier sitze, da ist es also nur gerecht, wenn Sie mir Ihre Beweggründe verraten.“
Er hatte recht, verflixt. „Die traurige Wahrheit ist die, dass das Leben Geld kostet.“
„Geld kann für viele Dinge ein hinreichendes Motiv sein.“
„Manchmal ja. Ich bin froh, dass wir in der Lage sind, uns gegenseitig zu helfen. Vielleicht erfüllen sich unsere Wünsche bald, und wir verdienen ein Vermögen.“
Er zog eine finstere Miene. „Ich wollte weder das Vermögen noch den Titel. Ich wollte gar nichts, nur in Ruhe gelassen werden.“
„Nun kommen Sie! Man hat Ihnen eine wunderbare Gelegenheit eröffnet - ein Vermögen, und alles, was Sie dafür tun müssen, ist, ein bisschen Benimm zu lernen. Und dennoch scheinen Sie sich über diese glückliche Fügung überhaupt nicht zu freuen.“
„Aye, ich bekomme ein Vermögen. Das Vermögen eines Mannes, der mir nie der Vater gewesen ist, der er hätte sein sollen. Ein Mann, der sich während meiner ganzen Kindheit kein einziges Mal die Mühe gemacht hat, mich oder meinen Bruder zu besuchen. Ein Mann, der alles unternahm, um legitime Erben in die Welt zu setzen, damit ich keinen Penny von seinem Vermögen sehe, von dem Titel und dem Grundbesitz ganz zu schweigen.“
Prudence biss sich auf die Lippen. „Das wusste ich nicht.“ Er zuckte mit den Schultern, obwohl seine Züge abweisend blieben. „Mein Vater hat mich und meinen Bruder schon bei unserer Geburt im Stich gelassen, und als meine Mutter verhaftet und fälschlich des Verrats angeklagt wurde, hat er sich auch nicht blicken lassen.“
Prudence wusste nicht, was sie sagen sollte.
„Meine Mutter starb in einer feuchten Zelle. Erst später wurde sie von jedem Vorwurf freigesprochen.“ Er lächelte freudlos. „Ein klassischer Fall von zu spät gekommen und zu wenig gegeben.“
Prudence bekam einen Kloß im Hals, als sie daran
Weitere Kostenlose Bücher