Korvals Nemesis (German Edition)
Jaulen des überladenen Buggys wurde mit sinkender Temperatur leiser und doch wartete er, hörte, wie die normalen Geräusche zurückkamen und die Verrücktheit der Angst sich langsam zurückzog. Er lehnte sich gegen einen Baum, war sich der kleinen Bewegungen in den Zweigen und dem getrockneten Gras bewusst, des Seufzen des Windes, und nahm sehr klar seine eigene Verwundbarkeit wahr. Die Besucher hatten alle Gewehre und er – er hatte seine Handwaffe im Safe zurückgelassen und das Gewehr auf dem Ständer. Er hatte beide seit geraumer Zeit nicht mehr getragen.
Er sollte es eigentlich besser wissen, denn manche der Stadtbewohner kamen in der Auffassung hierher, alles jagen zu dürfen, was nicht aus der Stadt kam. Es machte ihm nichts aus, solange sie Ratten oder wilde Hunde oder was auch immer irgendwo anders schossen, aber hier … hier gab es keine Hunde und die Feldtiere waren selten und weitflächig verteilt. Die anderen potenziellen Ziele – nun, Rollie hatte es den Nachbarn im Jahr des Problems erklärt und er hatte überall Schilder aufgestellt, sodass es eigentlich klar sein sollte, dass er allein gelassen werden wollte, er und die Katzen.
Sie hatten nicht so ausgesehen, als ob sie hätten angreifen wollen …
Nicht, dass es einen Grund für einen Angriff auf ihn gegeben hätte, aber dennoch: Sie kamen von der Straße und Rollie war eines Tages die Straße hinuntergegangen und nie zurückgekehrt, gestorben aufgrund seiner Unfähigkeit, die Bosse zu unterscheiden, oder weil er es nicht begriffen hatte, dass man den Typen an der Mautstelle nicht provozierte.
Das Seltsame daran war, die Straße – die Straße, die Rollie genommen hatte, die Straße, die Nahrungsmittel für die Stadtbewohner transportierte, die bis zum Raumhafen führte –, diese Straße, sie begann hier. Hier, auf dem Eigentum, das er sein Eigen nannte. Sie lief direkt an der Tür seiner Hütte vorbei, direkt am Gemüsegarten, direkt an den Abhängen der ersten Grabung – und Rollie hatte, wie immer, in die andere Richtung laufen wollen. Er hatte lange genug über das Ende der Welt geschaut, dass er fort von hier wollte, die Straße entlang mit seinem Elektrokart vor ihm, wohlgefüllt mit Gütern und er selbst den Kopf voller Ideen.
»Ich werde Neuigkeiten bringen, wenn ich zurückkomme. Große Veränderungen, weißt du? Große Veränderungen!«
Das waren die letzten Worte seines Bruders gewesen. »Große Veränderungen!«
Yulie zitterte, mehr aufgrund der Erinnerung als wegen des Wetters. Matsch, Matsch, Matsch! Sein alter Großvater war ein Raumfahrer gewesen und das war das Schlimmste für ihn unten auf einem Planeten – der Dreck und der Matsch und der Regen – und hier war er jetzt, der Letzte der Familie seines Opas, soweit er wusste, mit Rollie tot in der Stadt, irgendwo entlang der Straße.
Das erinnerte ihn daran, dass er der Lady immer noch einen Korb Zwiebeln und vielleicht ein paar Kräuter schuldete, aber er war kürzlich in völligen Stillstand erschreckt worden und die Buchführung für die Schulden war außerdem die seine, nicht die ihre.
Der Schuldbrief lag noch in seinem Haus, war eines Tages von Boss Melina Shertons nächstgelegener Mautstelle hergebracht worden, in den Händen eines stolzierenden Jungen. Es fühlte sich an, als sei es Wochen her, nicht schon ein Jahr, wie es wirklich war. Einige Sachen blieben einem in Erinnerung, andere nicht.
»Bist du mit Rollie Shapers verwandt?«
Er hatte genickt, stand in der Tür und war damals sauer genug gewesen, um darauf zu bestehen: »Shaper heißt es. Kein s am Ende.«
Der Junge hatte mit den Achseln gezuckt, seinen Rucksack abgelegt und einen Brief sowie eine Tasche hervorgeholt. Er hatte ihm den Brief übergeben, die Tasche festgehalten und die Katzen beobachtet, die auf dem Feld umherliefen, ehe er sich wieder an Yulie gewandt hatte.
»Dies wurde vom großen Bordell hochgeschickt – soll wohl für dich sein, denke ich mal. Wenn du schreiben kannst, dann sollst du mir das hier unterschreiben, sodass es an Miss Audrey geschickt werden kann und sie weiß, dass du alles bekommen hast.«
Also hatte Yulie den großen, schicken Stift behutsam ergriffen und auf dem weißen Blatt aus echtem Papier geschrieben: Yulian Rastov Shaper . Er wusste , wie man las und schrieb, denn Opa hatte dies zu erlernen zur Regel für die ganze Familie gemacht. Wenn er Kinder haben würde, würde er es ihnen beibringen. Rollie – er hatte eigentlich Roland Yermanov Shaper geheißen.
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