Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone
in dieser Verfassung weder Fisch noch Fleisch.
Dieser Zustand sollte ein Ende haben.
Laut sagte ich: „Püppchen, sieh zu, daß du in die Klamotten kommst! Ich will weiter."
Ohne langes Überlegen hatte ich damit die Entscheidung getroffen, die Tamara von mir erhoffte und erwartete.
Ich war überzeugt, ohne sie nicht mehr auskommen zu können. Was zum Teufel hatte man als Kosmone (M-Typ) von der ganzen verdammten Unsterblichkeit, wenn sie einem das vorenthielt, was mich schon wild machte, wenn ich nur daran dachte?
Die Versuchung des Zweifels war ausgestanden. Tamara hatte recht: Die Reise würde bestimmt nicht langweilig werden.
Ich machte noch einmal kehrt, nahm den Beutel vom OP-Tisch und steckte ihn ein. Sein Duft weckte in mir eine verschwommene Erinnerung.
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6.
Mit dem Rückzug der Malusiten war wieder emsiges Leben und Treiben in die Klinik eingezogen. Doktor Saul empfing mich mit dem Ausruf:
„Machen wir's kurz!"
Er wurde benötigt. Nach der erzwungenen Unterbrechung des klinischen Ablaufes stand ein neuer Transplantationsschub bevor. Mit einer matten Handbewegung zur nächsten Wanduhr hin, an der gerade gearbeitet wurde, bat Doktor Saul um Nachsicht.
„Mit der Gemütlichkeit ist es damit wohl endgültig vorbei", klagte er. „Dem Hohen Rat war das nicht ganz klar, daß man sich mit der Zeit auch die Hast ins Haus holt." Er grinste. „Aber schon fragt man sich, was wohl schwerer zu ertragen ist - dies oder der Zustand, den uns Janus beschert hat."
Sofort erbarmte er sich meiner Verständnislosigkeit.
„Der neue Stern. Ich habe ihn Janus getauft nach der römischen Gottheit mit den zwei Gesichtern. Wenn Sie mich fragen, ich hätte auf das Durcheinander, das er auf Astropol angerichtet hat, verzichten können."
Sein Blick wurde berufsmäßig prüfend.
„Wenn mich nicht alles täuscht, macht das Janussyndrom auch Ihnen zu schaffen - vielleicht noch mehr als allen anderen hier."
Was er mit der Bezeichnung Janussyndrom belegte, machte mir im Augenblick mehr als nur zu schaffen. Im Augenblick machte mich das chaotische An und Aus der Uhren und damit der Zeit garadezu krank. Von einem Extrem fiel ich ins andere - vom kosmischen Gleichmut in abgrundtiefe Verzweiflung und wieder zurück. Ich litt. Doktor Saul mißdeutete den Ausbruch von kaltem Schweiß auf meiner Stirn, denn er sagte:
„Vielleicht beruhigt es Sie ein wenig zu erfahren, daß Ihre entzückende Co-Pilotin nicht ganz verlassen ist. Raffael kümmert sich um sie."
Wiederum zeigte ich Verständnislosigkeit.
„Raffael", sagte Doktor Saul, „ist kein Malusit wie die anderen. Er stammt von hier, er ist Astride . Seine Wiege ist eine Zelle von unserer verehrten Göttin der Erinnerung, Thea. Eigentlich war er geplant als ihr verjüngtes Ebenbild. Aber etwas ging schief. Er wuchs heran, und eines Tages schloß er sich den Malus-Jüngern an - nur so, um etwas zu erleben. Aber im Kern ist er der anständige Bursche geblieben." Doktor Saul quetschte meine Hand. „Nun, ich muß ins OP, und Sie wollen weiter. Viel Glück!"
„Und Ihnen, Doc", erwiderte ich, „nochmals meinen Dank. Sie haben viel für uns riskiert."
„Leider nicht genug", erwiderte er, „nicht genug."
Vor der Klinik erhob sich Lärm. Doktor Saul runzelte die Stirn.
„Nichts was Sie angeht, Brandis. Die Malusiten haben einen der ihren vergessen. Oder er war zu betrunken. Jedenfalls haben ihn unsere Jungs aufgestöbert, und ich möchte jetzt nicht in seiner Haut stecken."
„Was wird mit ihm geschehen?" erkundigte ich mich.
Doktor Saul hob die Schultern.
„Er bekommt, was er verdient. Sie werden ihm umbringen. Aber das ist wirklich nicht länger Ihre Sache, Brandis."
Mit flatterndem weißen Kittel eilte er davon, und ich blieb zurück, bemüht, mir seine Erscheinung einzuprägen. Aber das gelang mir nicht.
Der Lärm vor der Klinik schwoll an, und ich meinte, etwas Feuerrotes, geduckt und flink wie eine Ratte, vor dem Fenster vorüberhuschen zu sehen. Ihr folgte eine Schar brüllender Astriden mit geschwungenen Planierschlägern und erhitzten, verzerrten Gesichtern - und ich frage mich, wo alle diese Superkerle gesteckt haben mochten, als der rote Raumkreuzer noch unübersehbar auf der Rampe stand.
Nun - Doktor Saul hatte es ausgesprochen: Mich ging das nichts an. Im übrigen hatte ich genug zu tun mit mir selbst. Was ging mit mir vor? Jedesmal , wenn ich schon glaubte, die Antwort gefunden zu haben, machte mir eins von diesen heiß-kalten Wechselbädern des
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