Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
Anschrift, während ich zu Melanakis hinübergehe.
»Gehen wir mal kurz raus«, sage ich und trete ihm voran in den Hof.
Stavropoulos hat de Moors Kopf provisorisch wieder auf den Schultern platziert. Die Frage, ob Melanakis ihn erkennt, erübrigt sich, denn beim Anblick des verstümmelten de Moor ruft er aus: »Der Holländer! Ach, du Schande!« Mit einem Ausdruck purer Verzweiflung blickt er mich an. »Das ist das Ende für mein Lokal. Ich bin ruiniert! Und dabei habe ich gerade ein Vermögen in die Klimaanlage investiert, damit wir die Bar auch im Sommer betreiben können.«
»Woher wissen Sie, dass das Opfer Holländer war?«
»Das hat er mir selbst gesagt. Da er sehr gut Englisch sprach, wollte ich wissen, ob er Engländer ist. Da hat er mir erzählt, dass er aus dem holländischen Utrecht kommt.«
»War er oft hier?«, frage ich, als wir in die Bar zurückgehen.
»In den vergangenen Tagen kam er jeden Abend.«
»Allein?«
»Wenn ich mich nicht irre, war er beim ersten Mal in Begleitung. Später ist er dann allein gekommen.«
»War seine Begleitung am ersten Abend ein Stammgast des Lokals?«
»Nein, den hatte ich vorher noch nicht gesehen.«
»Ein Grieche?«
»Nein, auch ein Ausländer.« Er hält kurz inne, dann presst er hervor: »Besser, ich sage es Ihnen gleich, bevor Sie es von anderen erfahren. Das Meetings ist eine Homosexuellen-Bar, Herr Kommissar. Die Kunden kommen hierher, weil sie entweder mit Gleichgesinnten etwas trinken oder weil sie Bekanntschaften knüpfen wollen.«
Demnach liegt es auf der Hand, dass Henryk de Moor homosexuell war. Doch solange es - wie bei den vorangegangenen Morden - um kein Sexualverbrechen geht, ist das seine Privatsache. Andererseits muss ihn der Täter beobachtet und von seinen Vorlieben gewusst haben. Mir lässt die Frage keine Ruhe, was ein Barbesucher auf dem Hinterhof zu suchen hat.
»Geht Ihre Kundschaft öfter mal hinten raus?«
Er merkt, worauf meine Frage abzielt, und geht in die Offensive. »Also, eins muss ich gleich mal klarstellen, Herr Kommissar. Der Hinterhof dient hier nicht als Darkroom, sondern die Bar ist ein angesagter Treffpunkt der gehobenen Schwulenszene. Das Spektrum der Gäste, die hier verkehren, reicht von leitenden Firmenangestellten bis hin zu Wissenschaftlern, Schauspielern und Künstlern.«
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet.«
Er ist mir die Antwort schuldig geblieben, weil sie ihm unangenehm ist. »Sehen Sie, so mancher Familienvater geht regelmäßig ins Puff, und es gibt viele, die sich ab und zu auf einen One-Night-Stand einlassen. In der Homosexuellen-Szene kommt so etwas allerdings ein wenig häufiger vor. Da es sich um gutsituierte Leute handelt, parken sie ihren Wagen in der Ippodamou-Straße und nehmen beim Rausgehen die Hintertür, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.«
»Ich brauche eine Liste Ihrer Gäste.«
»Kommen Sie, Herr Kommissar, niemand stellt sich in einer Bar mit Vor- und Nachnamen vor. Viele verwenden einen falschen Namen. Wie soll ich da eine Liste erstellen?«
»Wann schließt die Bar normalerweise?«
»Das kommt darauf an. Wochentags schließen wir zwischen zwei und drei Uhr morgens, am Freitag- und Samstagabend haben wir manchmal bis um fünf offen.«
»Und gestern?«
»Das muss gegen halb drei gewesen sein.«
In diesem Moment klingelt mein Handy, und Dermitsakis ist dran. »Das war eine leichte Übung, Herr Kommissar. De Moor war im Attica Plaza in der Stadiou-Straße abgestiegen.«
»Fahr sofort hin, lass dir den Zimmerschlüssel geben. Ich komme dann gleich nach.«
Ich gehe noch einmal allein in den Hof hinaus. Stavropoulos ist gerade mit seiner Arbeit fertig und zupft sich die Handschuhe von den Fingern, als die Sanitäter mit der Bahre eintreffen.
»Genau das gleiche Vorgehen wie in den anderen beiden Mordfällen«, erklärt er. »Alles deutet auf denselben Täter hin. Mit Sicherheit kann ich Ihnen das aber erst im Autopsiebericht bestätigen.«
»Die ungefähre Tatzeit?«
»Zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens.« Plötzlich ertönt Stimmengewirr aus der Bar, und Stathakos taucht am Hintereingang auf. Angesichts der Leiche stutzt er kurz, doch de Moors Gesicht sagt ihm offenbar nichts, da er das Interview nicht gesehen zu haben scheint.
»Warum habt ihr mich nicht benachrichtigt?«, fragt er mich barsch.
»Ich bin doch nicht deine Sekretärin, Loukas!«, gebe ich im gleichen Tonfall zurück. »Mir hat die Notrufzentrale einen Mord gemeldet. Seit wann gebe ich dir bei
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