Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
Während der Fahrt vom Alexandras-Boulevard zur Patission-Straße geht mir durch den Kopf, dass sich die Ermittlungen gegen Varoulkos als Sackgasse erwiesen haben. Von nun an sollte ich mir die entlassenen Bankangestellten vorknöpfen und einfach auf mein Glück vertrauen.
Der Verkehr ist flüssig, und in kürzester Zeit bin ich bei Sissis, der gerade auf der etwas erhöhten Veranda seines Einfamilienhäuschens in der Ekavis-Straße seinen Mokka trinkt. Der Hof ist noch feucht, da er seine Blumen gegossen hat. Obwohl er sieht, dass ich in den Hof trete und die Treppe hochsteige, macht er keine Anstalten zur Begrüßung. Er wartet, bis ich vor seinem Stuhl angelangt bin und ihm offiziell meine Aufwartung mache.
»Lang nicht mehr gesehen«, bemerkt er.
»Viel zu tun, wie immer.«
»Trinkst du einen Mokka?« Er wartet meine Antwort gar nicht ab, da er weiß, dass ich zu einem Mokka alter Schule, so, wie er ihn zubereitet, niemals nein sage.
Kurze Zeit später kehrt er mit einem kleinen Tablett zurück, auf dem eine Tasse und ein Tellerchen mit Quittengelee stehen. Immer serviert er den Mokka mit einer Löffelsüßigkeit, so, wie er es von seiner Mutter gelernt hat, einer aus Kleinasien vertriebenen Griechin.
»Na, wie kommst du zurecht?« Meine Frage spielt auf seine gekürzte Rente an.
Er zuckt gleichgültig mit den Schultern. »Ich hab dir ja schon am Telefon gesagt, ich komme auch mit zweihundert Euro im Monat klar.«
»Ja, aber trotzdem wolltest du dem Mörder der Bankmanager persönlich gratulieren.«
»Vor allem aber dem zukünftigen Mörder von de Moor. Der Kerl hatte mich besonders in Rage gebracht.«
»Wieso denn?«
»Weil dieser Zyniker gesagt hat, dass es keine Gesellschaft gibt. Weißt du, was es heißt, dein ganzes Leben im Gefängnis, in der Verbannung, in Folterzellen zu verbringen, weil du die Gesellschaft verändern willst? Und so einer sagt dann, dass es das, was du verändern wolltest, gar nicht gibt? Da zieht es dir den Boden unter den Füßen weg. Danach wäre ich tatsächlich zu einem Mord fähig gewesen.«
»Deine Einschätzung war jedenfalls richtig. Woher hast du gewusst, dass er das nächste Opfer wird?«
Er setzt jene bauernschlaue Miene auf, mit der er mich immer wieder auf die Palme bringt. »Glaubst du, dass ich etwas mit der Sache zu tun habe? Und willst auf den Busch klopfen?«
»Lambros, du weißt genau, dass ich so etwas nicht glaube. Traust du mir ein so heimtückisches Verhalten zu? Hältst du mich für ein Bullenschwein?«
»Natürlich nicht, aber ich stichle eben gerne.« Dann wird er ernst und denkt kurz nach. »Die Schlussfolgerung lag auf der Hand: Wenn de Moor sogar mich fuchsteufelswild macht, gelingt ihm das bei anderen auch. Und wenn hier einer durch die Gegend rennt und Finanzhändler umlegt, nimmt er de Moor bestimmt auch ins Visier. Wer auch immer der Mörder ist, eins ist klar: Durch seine Taten sucht er Anerkennung.«
Gut, dass der Mörder den Geschäftsträger der niederländischen Botschaft nicht gehört hat. Auch den würde er unverzüglich um die Ecke bringen. »Glaubst du, es handelt sich um einen Terroristen?«
»Hör mal, steckt doch nicht alle in dieselbe Schublade! Terroristen töten, weil sie Weltverbesserer sind. Sie sind Che Guevara auf den Leim gegangen. So ist es immer: Einer fängt voller guter Vorsätze an, und die anderen verderben es dann. So war es mit Che Guevara und den Terroristen, so war es auch bei uns, als wir den Sozialismus einführen wollten. Man hat ja gesehen, wohin so etwas führt.« Er überlegt eine Weile. »Der Mörder, den ihr sucht, ist kein Terrorist. Es ist jemand, der in den Ruin getrieben wurde und der sich dafür rächen will. Obwohl, die Plakate sind schon eine Art Bekennerschreiben.«
»Wieso?«
»Weil es ihm nicht reicht, die führenden Köpfe abzuschlagen. Er will, dass sich die Leute gegen die Banken wehren. Wie damals, in den früheren terroristischen Bekennerschreiben. Man wollte, dass sich die Menschen gegen ihre Unterdrücker auflehnen.«
»Dann sind wir ja einer Meinung«, sage ich lachend.
»Wenn du dich da mal nicht irrst! Ich stehe auf der Seite des Mörders.« Wieder blickt er mich mit dieser besserwisserischen Miene an. Dann wechselt er abrupt das Thema. »Wie ich höre, vertritt Katerina nun Asylanten. Das finde ich toll!«
Der gute alte Sissis! Er sagt nicht: »Katerina hat mir erzählt…«, weil er fürchtet, ich könnte mich daran stoßen, dass ihn meine Tochter regelmäßig besucht. Dabei
Weitere Kostenlose Bücher