Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
Bettlerin eben. Eine Frau mit schwarzem Kleid und schwarzem Kopftuch, die mit ausgestreckter Hand da saß.«
»War sie eher groß oder klein? Dick oder dünn?«
»Sie ist nur einmal ganz nah am Kiosk gewesen, und da wirkte sie mittelgroß. Ansonsten habe ich sie nur auf dem Gehsteig sitzen sehen. Auf jeden Fall war sie schlank.«
»Vielen Dank, Sie haben mir sehr geholfen.«
»Was? Mit der Bettlerin?«, fragt er ungläubig.
Inständig hoffe ich, dass ich mir den Namen des Sicherheitsdienstes, der Robinsons Wohnhaus betreut, in mein Notizbuch geschrieben habe. Erleichtert stelle ich fest, dass die Adresse drinsteht: Galapanos Security Systems. Ich wähle die zugehörige Nummer und frage nach dem Wachmann.
»Er hat heute Dienst, Herr Kommissar.«
»Geben Sie ihm Bescheid, dass er auf mich warten soll. Ich habe noch ein paar Fragen an ihn.«
Sie sagen mir, dass ich mir keine Sorgen machen soll und dass er auf mich warten würde.
37
Der Wachmann sitzt wieder auf demselben Stuhl am Eingang des Wohnhauses in der Malakassi-Straße, und er trägt dieselbe gelangweilte Miene zur Schau.
»Die Zentrale hat mir Bescheid gegeben, dass Sie mir noch ein paar Fragen stellen wollen. Also habe ich auf Sie gewartet«, meint er, ohne seinen Ärger über die unfreiwilligen Überstunden zu verbergen.
»Als wir uns nach Robinsons Ermordung unterhielten, haben Sie eine Bettlerin erwähnt, die ein paar Tage vor der Tat in der Straße aufgetaucht war.«
»Stimmt.«
»Wissen Sie noch, wie die aussah? Können Sie sie mir beschreiben?«
»Machen Sie Witze? Nach so langer Zeit!«, entgegnet er schnippisch.
Sicherheitsdienste gehen mir prinzipiell gegen den Strich. Sie tun so, als würden sie die öffentliche Ordnung aufrechterhalten und nicht die Polizei. Aber dieser Wachmann hier nervt noch mehr als seine Kollegen. »Wenn Sie sich nicht erinnern können, müssen wir Ihrem Gedächtnis eben etwas nachhelfen. Vielleicht durch eine Vernehmung bei uns im Präsidium, die dann so lange dauert, bis Ihnen etwas einfällt?«
Sein Erinnerungsvermögen kehrt schlagartig zurück. »Sie war mittelgroß …«
»Im Sitzen oder im Stehen?«
»Im Sitzen, aber als ich sie weggescheucht habe, musste sie aufstehen.«
»Was hatte sie an?«
Er denkt kurz nach. »Eines dieser billigen, bunten Kleider, die sonst nur Afrikanerinnen tragen, und ein einfarbiges Kopftuch. Welche Farbe weiß ich nicht mehr…«
»Sah sie wie eine Ausländerin aus?«
»Hm.« Er kramt in seinem Gedächtnis. »Wenn, dann war sie aus einem Balkanland, aus Albanien oder Bulgarien… Afrikanerin war sie mit Sicherheit nicht.«
»Können Sie ihr Alter einschätzen?«
»Zwischen vierzig und fünfzig. Auf jeden Fall war ihr Gesicht voller Falten.«
Grußlos lasse ich ihn stehen, um auf diese Weise den Unterschied zwischen echtem Bullen und Möchtegern-Cop zu unterstreichen. Besser, die Rangordnung ist geklärt für den Fall, dass ich noch einmal auf ihn zurückkommen muss.
Es besteht kein Zweifel mehr daran, dass es ein und dieselbe Bettlerin ist. In der Samou-Straße hatte sie nur eine andere Verkleidung gewählt. Auf dem Weg zur Dienststelle versuche ich auszurechnen, wie viele Personen Beihilfe zu den Morden geleistet haben. Zunächst einmal der Schwarze, der den Einwanderern die Plakate vermittelte, dann die Bettlerin, drittens der Bettler in der Nähe der Bar Meetings und viertens der Mann, der den Jungs in Piräus die Aufkleber übergeben hat. Natürlich könnten der Bettler und der Überbringer der Aufkleber dieselbe Person sein, so dass es statt der vier nur drei sind. Der Einzige, der mir so gar nicht in die Reihe der Gehilfen passen will, ist Bill Okamba.
Der Flur vor meinem Büro ist wieder von Reportern belagert. Nur diesmal stürzen sie sich nicht gleich auf mich, sondern warten ab, bis ich bei ihnen angelangt bin.
»Na, habt ihr diese Nacht überhaupt geschlafen?«, frage ich sie.
»Bloß drei Stunden«, antwortet eine junge Journalistin. »Gibt’s etwas Neues?«, fragt die Doukidou, wie immer ganz in Rosa.
»Den Namen des Opfers kennen Sie ja, den brauche ich nicht zu wiederholen. Ihm gehörte eine Inkassofirma, die für verschiedene Banken Schulden eintreibt.«
»Der wählt sich seine Opfer ganz bewusst aus«, ertönt Sotiropoulos’ Stimme im Hintergrund.
Die Bemerkung lasse ich unwidersprochen im Raum stehen, da ich ihr durchaus zustimme. »Zweifellos handelt es sich wieder um denselben Täter. Fanariotis wurde auf genau dieselbe Art und Weise
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