Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
aufzustöbern.«
»Jedenfalls kommt es mir unwahrscheinlich vor, daß er noch einmal zuschlägt. Höchstwahrscheinlich wird er jetzt, wo ihn ganz Griechenland kennt, auf Tauchstation gehen.«
»Was heißt da ganz Griechenland, Sotiropoulos? Erstens kennen wir nicht einmal seinen Namen, zweitens kann er jederzeit seinen Bart und seine Haare abrasieren, und drittens schlägt er immer mit Helm zu.«
»Okay, schon richtig, nur ist es jetzt nicht mehr dasselbe.«
Plötzlich schießt mir ein Verdacht durch den Kopf. »Ich hoffe, jetzt werden eure Chefs nicht übermütig und fangen wieder an, Werbespots zu senden. Die sollen bloß die Auferstehung nicht schon am Karfreitag feiern. Da liegt nämlich noch der Karsamstag dazwischen.«
»Nein, nein«, beeilt er sich zu versichern. »Sie haben alle werbewirksamen Sendungen aus dem Programm genommen und bringen statt dessen irgendwelche uralten Filme, Dokumentationen und Serien, die sie nicht mehr ausstrahlten, weil sie für Werbeschaltungen unattraktiv waren.« Er macht eine kurze Pause und fügt dann hinzu: »Nun, die Fotografie hat jetzt schon Positives bewirkt. Sie haben noch keine Entlassungen angekündigt, sondern warten erst mal ab.«
Sotiropoulos geht, und ich rufe Dermitsakis an, der mit der Hotline befaßt ist.
»Gibt es irgendwelche Anrufe?«
»Machen Sie Witze, Herr Kommissar? Wir kommen gar nicht nach. Kaum war das Täterbild auf Sendung, haben sich innerhalb einer Stunde an die hundert Anrufer gemeldet. Der eine schwärzt den Kioskbesitzer vor seinem Haus an, die andere den Sohn ihrer Nachbarin. Als ich sie fragte, wie lange sie ihn kennt, sagt sie: Von Kindesbeinen an, aber was hätte das schon zu bedeuten, man wisse nie, wann ein Mensch durchdreht.«
Mir ist klar, daß er Schwerstarbeit leistet, und er tut mir leid. Man muß auf hundert Armleuchter und Strohköpfe eingehen, in der Hoffnung, auf die richtige Spur zu stoßen, was jedoch nur selten vorkommt. Mit dem Fernsehen, den Nachrichtensendungen und den Realityshows hat sich die Zahl der publicitygeilen Armleuchter vervielfacht, die alle davon träumen, auf der Mattscheibe groß rauszukommen.
Drei weitere Stunden verbringe ich im Büro am Telefon mit zwei Kretern, nämlich Rosakis und Dermitsakis, und Gikas, der alle fünf Minuten anruft. Doch wir treten auf der Stelle, nur der Minister taucht überall - in den Zeitungen, im Radio und in den Fernsehsendern - auf, um zu erklären, daß sich mit dem Täterbild das Szenario ändere und wir den Täter praktisch schon fast in der Hand hätten.
»Sagen Sie ihm, er soll sich nicht zu früh freuen«, meine ich zu Gikas, als er mir seine Presseerklärungen hinterbringt. »Schon ein anderer Minister hat einmal verkündet, wir hätten die Terrororganisation >17. November< praktisch in der Hand, und dann hat es noch fünfzehn Jahre bis zur Festnahme gedauert.«
Schließlich stoße ich an die Grenzen meiner Belastbarkeit und beschließe, nach Hause aufzubrechen. Ich finde Adriani verärgert vor dem Fernseher vor.
»Was ist denn in die gefahren, daß sie lauter langweilige Filme, doofe Serien und Komödien senden, die zum Heulen sind!« meint sie erregt. »Wenn schon aufgrund der entgangenen Werbeeinnahmen Trauer angesagt ist, dann sollten sie besser klassische Musik senden, damit wir wissen, woran wir sind.«
»Klassische Musik wird nicht nur bei Staatstrauer gesendet.«
»Sondern wo sonst noch?«
»Auch in der U-Bahn.«
Sie wirft mir einen scheelen Blick zu, und um sie zu beruhigen, richte ich ihr Sotiropoulos' Kompliment aus.
»Ob man in Griechenland Tomaten auf dem Wochenmarkt oder ein Fernsehprogramm verkauft, es steckt immer dieselbe Denkweise dahinter«, bemerkt sie verächtlich. »Man sieht zu, durch faule Ware sein Geld zu machen.«
»Du bist verärgert, und ich bin erschöpft. Wollen wir auswärts essen gehen, damit wir zur Ruhe kommen?«
Ihre Stimmung schlägt in Sekundenschnelle um. »Bravo, mein Kostas, prima Idee. Mir scheint, wir beide sind seit Jahren nicht mehr zusammen essen gewesen.«
Wir gehen in eine kleine Taverne, zwei Straßen von unserer Wohnung entfernt, die früher gelbes Erbsenpüree und überbackene dicke Bohnen anbot, heute jedoch Rucola-Salat mit Parmesan und Steinpilzen serviert. Adriani nimmt Hackfleischbouletten und ich ein Schweinekotelett. Und zu unserem Glück hat der Bauernsalat auf der Speisekarte überlebt.
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Das
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