Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
noch in Schach halten kann.« Eine weitere Pause folgt, dann ergänzt er: »Ich hatte Ihnen gesagt, Sie sollten nicht herkommen, aber Sie haben ja nicht auf mich gehört.«
Sein Kommentar geht mir auf den Senkel. »Was hätten Sie denn an meiner Stelle getan?« frage ich heftig.
»Dasselbe wie Sie«, entgegnet er prompt. »Und hätte mich dann auch, wie Sie, mit den Folgen herumschlagen müssen.«
Gikas, wie er leibt und lebt: Zuckerbrot und Peitsche. Seine Aufrichtigkeit raubt mir meine Angriffslust. »Und was machen wir jetzt?«
»Wir versuchen, die Sache so lange wie möglich hinauszuzögern, und dann können wir nur beten.« Die Antwort ist richtig, aber nicht gerade aufbauend. Bevor ich etwas dazu sagen kann, kommt er mir mit einer Frage zuvor: »Was ist mit dem Mord an diesem Model?«
Ich informiere ihn über den Fortgang der Ermittlungen, hebe hervor, daß eine Pistole aus dem Zweiten Weltkrieg verwendet wurde, und füge zu meinem mündlichen Bericht noch die Befürchtung hinzu, daß wir es möglicherweise mit einem Serienkiller zu tun haben.
»Wie kommen Sie denn darauf?« fragt er besorgt. »Es ist doch noch zu früh, um einen solchen Schluß zu ziehen.«
»Schon, aber die altmodische Pistole läßt das befürchten.«
»Wieso?«
»Weil sie auf die spezielle Handschrift eines Serienmörders hindeuten könnte.«
Er läßt es sich durch den Kopf gehen und schließt es nicht ganz aus. »Hoffen wir, daß dem nicht so ist. Grundsätzlich jedoch müssen wir mit allem rechnen...«, seufzt er ergeben.
Bevor er auflegt, ersucht er mich noch, ihn jeden Abend auf dem laufenden zu halten. Ich frage mich, ob ich gut daran getan habe, ihm meine Theorie so früh zu offenbaren, denn jetzt wird er mich tagtäglich löchern. Ich laufe in die Küche, um die Souflaki aufzulesen, bevor sie auf dem Fußboden Flecken hinterlassen und Adriani Grund zum Nörgeln bieten. Doch das Klingeln meines Handys hält mich davon ab.
»Hab ich's doch gewußt, daß hier was faul sein muß, wenn Sie samt Gattin in Chania auftauchen«, höre ich Sotiropoulos' Stimme sagen. »Und zu mir kein Wort, was? Nach so vielen Jahren halten Sie solche Dinge vor mir geheim?«
»Was hätte ich denn sagen sollen, Sotiropoulos? Warum sollte ich Sie mit meinen persönlichen Problemen belasten? Sind wir etwa verwandt oder verschwägert?«
Er begreift den Grund meiner Reaktion und fährt milder fort: »Okay, ich weiß, daß Sie schwer an der Geschichte zu tragen haben. Ich wollte Ihnen ja nur helfen.«
»Sie würden mir sehr helfen, wenn Sie Ihre Kollegen davon überzeugen könnten, nichts über meine Tochter zu berichten.«
Es folgt eine kurze Pause, dann seine zögerliche Antwort: »So weit reicht meine Macht nicht. In diesem Augenblick halten sie sich zurück, weil Gikas sie darum gebeten hat. Doch der eine spioniert dem andern hinterher. Beim geringsten Verdacht - Haben Sie das gehört? Verdacht! daß jemand als erster mit der Meldung auf Sendung geht, platzen alle damit heraus, um ihm zuvorzukommen.« Er atmet tief aus und ergänzt: »In dieser Welt herrscht das Gesetz des Dschungels, Kommissar: von den Massenmedien bis zu den Terroristen. Das müßten Sie eigentlich wissen, aber leider sind Sie der einzige Polizist, der sich noch Selbsttäuschungen hingibt.«
»Dann tun Sie mir wenigstens den Gefallen und bringen die Meldung nicht als erster.« Ich bin mir sicher, daß er einen Weg finden wird, sich vor dem Versprechen zu drücken, und tatsächlich.
»Vielleicht wäre das gerade der richtige Schachzug.«
»Was?«
»Daß ich zuerst damit auf Sendung gehe. Ich würde ein Interview mit Ihrer Frau machen - voller unschuldiger, melodramatischer Fragen. Damit wäre sie als Interviewpartnerin abgehakt, und keiner würde sich mehr für sie interessieren.«
Jetzt, wo Sotiropoulos davon spricht, wird mir bewußt, daß die Journalisten Adriani gehörig in die Mangel nehmen werden, und Panik überkommt mich.
»Wagen Sie es ja nicht, sich meiner Frau zu nähern, sonst kriegen Sie es mit mir zu tun!« schreie ich Sotiropoulos an. »Sie denken doch nur daran, der erste zu sein, und dafür gehen Sie über Leichen!«
»Wofür halten Sie mich? Für ein wildes, reißendes Tier?«
»Wer hat von Dschungel gesprochen? Sie oder ich?«
Als seine Stimme wieder ertönt, klingt sie leise und wütend. »Sie haben mir nie vertraut. Immer haben Sie geglaubt, ich
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