Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
anzutreten.
Ich wende mich an die junge Frau, die hinter dem Schreibtisch sitzt. Sie hebt den Blick von ihrem Computer und heftet ihn angeödet auf mich.
»Sind Sie wegen der Yaris-Werbung hier?« fragt sie.
»Nein, ich bin wegen des Ifantidis-Mordes hier. Kommissar Charitos.«
Ihre Miene wandelt sich von angeödet zu betrübt. »Ach, der liebe, arme Stelios! Seit ich es gestern erfahren habe, bin ich fix und fertig. Sie wissen nicht, was für eine Seele von Mensch er war!«
Ich bin drauf und dran, ihr zu gestehen, daß ich mittlerweile auch davon überzeugt bin, doch sie kommt mir zuvor: »Einen Augenblick, ich sage Frau Lasaratou Bescheid.«
Frau Lasaratou ist eine dickliche Fünfzigjährige, mit feuerrotem Haar und enormen Ohrklunkern. Sie trägt ein weißes T-Shirt mit einer riesigen griechischen Flagge genau auf ihrem wogenden Busen. Diese Mode mit der griechischen Flagge war während der Olympiade angesagt und geriet, genauso wie die Spiele selbst, unmittelbar danach in Vergessenheit. Daß die Lasaratou ihr immer noch frönt, beeindruckt mich. Sie folgt meinem Blick, der auf ihr T-Shirt gerichtet ist, und lacht auf.
»Ihnen ist mein T-Shirt aufgefallen?« fragt sie. »Ich trage es immer noch, um an die erfolgreiche Durchführung der Olympischen Spiele zu erinnern, mit der wir alle ausländischen Kritikerstimmen zum Schweigen gebracht haben.«
Ich bin nicht gekommen, um vergangene Großtaten zu feiern, daher lasse ich ihre Erklärung unerwidert. »Ich möchte Ihnen ein paar Fragen zu Stelios Ifantidis stellen«, sage ich. »Wenn ich richtig informiert bin, hat Ihre Agentur ihn vertreten.«
Sie stößt einen tiefen Seufzer aus. »Ich selbst, Herr Kommissar, war seine Agentin. Und es ist, leider Gottes, ein zweifacher Verlust. Sowohl für den jungen Burschen, der sein Leben verloren hat, als auch für mich, da mir bedeutende Einkünfte verlorengehen.«
»Kannten Sie ihn länger?«
»Seit dem Tag, als er seine Fotos vorbeibrachte, also seit zwei Jahren.« Sie beugt sich unvermittelt nach vorne und senkt ihre Stimme. »Um die Dinge beim Namen zu nennen: Ich kann mit Tunten nichts anfangen, Herr Kommissar. Das Getue und das >Schätzchen< hin und >Süße< her kann ich nicht leiden. Bei mir ist der Mann ein Mann und hat die Oberhand, während die Frau eine Frau ist und sich unterordnet. Wenn das auf den Kopf gestellt wird, geraten meine Wertevorstellungen ins Wanken.« Sie beugt sich noch mehr nach vorne und senkt erneut die Stimme, um noch Vertraulicheres mitzuteilen. »Natürlich sage ich das nicht laut. Ganz im Gegenteil, ich habe einen guten Draht zu Schwulen - mit Engelsgeduld höre ich mir ihre Ergüsse und ihre Liebesgeschichten an, weil in der letzten Zeit in der Branche große Nachfrage nach ihnen herrscht, und - Sie verstehen - ich will Kunden nicht verlieren und beruflichen Schaden erleiden.«
Sie lacht auf, zufrieden mit ihrer Genialität. Ihr Busen wiegt und die griechische Flagge gleich mit.
»Können Sie mir erklären, warum Sie mir das alles erzählen?« frage ich genervt, denn ihre Beziehung zu Tunten interessiert mich nicht die Bohne und kostet mich nur unnötig Zeit.
»Um Ihnen begreiflich zu machen: Stelios war zwar eine Tunte, aber er hatte Klasse. Bei ihm gab's kein Getue, kein >Schätzchen< und keine >Süße<. Er war ein ernsthafter Mensch, mit mir sprach er nur über das Berufliche, über sein Privatleben schwieg er wie ein Grab.«
»Mit anderen Worten, Sie wissen nichts über sein Privatleben.«
»Nicht das geringste, außer daß er an der Kunsthochschule studierte.«
»Wissen Sie etwas von beruflichen Eifersüchteleien?« Ich frage bloß danach, um nicht mit leeren Händen abzuziehen.
»Sehen Sie, wenn man erfolgreich ist, hat man immer Neider. Speziell in dieser Branche. Jemand, der erfolglos bleibt, kann nicht hinnehmen, daß ein anderer ein hübscheres Gesicht, eine ansprechendere Gestalt, ausdrucksvollere Bewegungen hat. Also fängt er an, Verschiedenes zu verbreiten. Von der Aussage, ich würde nur Tunten fördern, bis zur Behauptung, Juden und Tunten würden die Welt regieren und ich sie unterstützen. Doch das bedeutet ja noch lange nicht, daß man Mordgedanken hegt.« Sie hält inne und fährt fort: »Nur ein einziges Mal bin ich tatsächlich erschrocken, nämlich als sein Vater hier auftauchte.«
»Sein Vater? Wann?«
»Vor drei Monaten etwa.«
»Was wollte er denn?«
»Er
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