Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
vom Nachmittag an vor dem Fernseher, aber statt die Dinge besser zu verstehen, werde ich immer verwirrter. Ich habe es gerade mal geschafft, von einer Tochter zu einer guten Ehefrau und Mutter zu werden und in den Supermarkt zu gehen statt die Einkäufe mit dem Korb, den meine Mutter noch an einem Seil von ihrem Fenster herunterließ, hochzuziehen. Heutzutage verstehe ich die Hemmungslosigkeit und Habgier nicht mehr, warum die Kühe verrückt und die Vögel grippekrank werden - ich verstehe rein gar nichts mehr. So gebe ich heute dem einen und morgen schon wieder dem anderen recht, je nachdem, ob mir die Aussagen passen oder nicht, ob sie mir nützen oder nicht.«
»Sie haben doch einen Polizeibeamten zum Mann. Einige Dinge könnte er Ihnen doch erklären.« Obwohl Sotiropoulos weiß, daß Polizeibeamten weder Politiker noch Journalisten sind, wirft er mir via Kameraobjektiv den Fehdehandschuh zu.
»Wieso? Verstehen vielleicht die Polizeibeamten, was in der Welt vorgeht? Sehen Sie nicht, wie verloren sie hier wirken?« kommentiert Adriani abschätzig und besiegelt damit ihre Verbrüderung mit Sotiropoulos.
»Jedenfalls sind Sie sehr couragiert, Frau Charitou«, stellt ihr Gegenüber mit einem breiten Lächeln fest. »Woher stammt diese Courage? Ist es, weil Sie mit einem Polizeibeamten verheiratet sind?«
»Ihr Journalisten nennt das vielleicht Courage, wir auf dem Dorf nannten das Ausdauer«, demütigt ihn Adriani. »Courage erhofft sich baldige Resultate. Ich jedoch zünde eine Kerze an, bekreuzige mich im Angesicht der Gottesmutter und warte.«
Sotiropoulos dankt für das Gespräch, Adriani lächelt, und das Bild der Hotelbar erlischt. »Das war ein Interview mit Adriani Charitou«, ergänzt der Moderator und läßt mich mit gemischten Gefühlen zurück.
Nun ist meine Frau zum zweiten Mal im Fernsehen aufgetreten, und nach wie vor gefällt mir das nicht. Fernsehinterviews geben grundsätzlich entweder Diven unterschiedlicher Provenienz, Politiker, Wissenschaftler und Künstler oder anläßlich von Morden, Erdbeben oder Überschwemmungen auch dumme Provinzgänse. Adriani gehört weder zur einen noch zur anderen Kategorie, ergo wirkt sie irgendwie deplaziert. Andererseits muß ich zugeben, daß sie sich gut aus der Affäre gezogen und Sotiropoulos keineswegs die Oberhand überlassen hat. Ich weiß nicht, was überwiegt: mein Unwohlsein angesichts des Interviews oder meine Befriedigung über Adrianis Auftritt. Und ich forsche auch nicht weiter nach, denn ich sehe es genauso wie sie. Zumindest in den vergangenen Tagen verstehe ich auch die Welt nicht mehr.
Ich beiße in die Käsetasche, doch sie ist kalt geworden. Das billige Öl klebt mir am Gaumen und verursacht mir Übelkeit. Während ich noch zwischen einer Fastenkur und Souflaki im Fladenbrot schwanke, läutet das Telefon, und Fanis ist dran.
»Wie fandest du deine Frau?« fragt er. »Hat sie es nicht gut gemacht?«
»Gut gemacht hat sie's. Aber mich plagt jetzt was anderes.«
»Was denn?«
»Daß sie auf den Geschmack gekommen sein könnte.«
»Im Grunde unterschätzt du deine Frau gewaltig«, meint er fast verärgert.
»Nein, da täuschst du dich. Ganz im Gegenteil, sie ist zu allem fähig. Was hindert sie in Zukunft daran - da sie, wie sie selbst zugegeben hat, den ganzen Abend vorm Fernseher sitzt -, alle naselang den Hörer abzuheben und aller Welt hemmungslos ihre Meinung kundzutun?«
»Soll sie doch, was stört dich daran? Hier geben so viele in den Fensterchen der Talkshows und Nachrichtensendungen ihren Senf dazu.«
»Bloß, sie ist die Frau eines Polizeibeamten.«
»Na und? Glaubst du, dieser fade Einheitsbrei, der uns im Fernsehen serviert wird, macht irgendeinen Unterschied zwischen Polizistengattinnen, Politikern oder Endokrino-logen? Ihr jedenfalls hat es sehr gutgetan. Du hättest sie danach sehen sollen: Sie schwebte wie auf Wolken.«
»Ich weiß, es hat ihr Selbstvertrauen gestärkt.«
»Hör bloß auf zu psychologisieren«, meint er, erneut genervt. »Du bist Polizeibeamter, kein Psychiater.«
»Und du Kardiologe, soweit ich weiß.«
»Ich habe zumindest an der Uni ein bißchen was von Psychiatrie mitgekriegt.«
»Und ich habe vom FBI gelernt, Täterprofile zu erstellen.«
»Wann bis du denn beim FBI gewesen?« fragt er baff.
»Gikas war da, und er hat's mir beigebracht.«
Nach langer Zeit beenden wir endlich wieder einmal ein
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