Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
bis ich wieder auf meinem Posten bin. Heute habe ich frei.«
»Da ist noch etwas, Herr Kommissar.«
»Was denn?«
»Es hört sich an, als hätte er keine Zähne mehr.«
»He, Vlassopoulos, es reicht! So ein Stuß am frühen Morgen!«
Entnervt schalte ich den Fernseher aus, der nach wie vor das althergebrachte Wechselspiel von Sendung und Werbespots von sich gibt, und gehe in die Küche, um eine weitere wässrige Kaffeebrühe zu kochen. Die trinke ich, die Augen aUf die beiden Telefone gerichtet. Bald darauf rufe ich erneut Adriani an, um mir das Schweigen der Telefone bestätigen zu lassen: Auch sie hat nichts Neues erfahren.
Ich hadere mit meinem spontanen Entschluß, heute zu Hause zu bleiben, da ich aus Erfahrung weiß, daß mir derartige Wartesituationen an die Nieren gehen. Ganz abgesehen davon, daß der Typ, der ständig anruft, tatsächlich etwas Wichtiges über die Morde an Ifantidis und Koutsouvelos wissen könnte und sich nun womöglich nicht mehr meldet.
Ich ändere mein Programm und disponiere um: Ich gehe ins Bad zum Rasieren, um im Anschluß zum Dienst zu fahren. Der Anruf erreicht mich, als ich voller Rasierschaum im Gesicht vor dem Spiegel stehe. Ich renne ins Wohnzimmer, und Gikas ist dran.
»Sie steht neben mir, ich übergebe«, meint er in kurz angebundenem Bullen-Tonfall.
Dann folgt ein kurzes Schweigen und danach Katerinas erloschene Stimme, fast ein Flüstern. »Hallo, Papa.«
Diesmal ist das Schweigen auf meiner Seite. Ein Kloß sitzt mir im Hals und hindert mich am Sprechen. Kurz danach gelingt es mir mit Müh und Not zu stammeln: »Wie geht es dir, mein Schatz?«
Das gleiche Flüstern ertönt. »Gut. Sie haben mir nichts getan, mich nicht angerührt. Es ist nur der Schock der Geiselhaft, der mir unter die Haut gegangen ist.«
»Der Alptraum ist vorbei, jetzt wird alles gut. Hast du deine Mama schon gesprochen?«
»Nein. Auch Fanis nicht. Ich habe zuerst dich angerufen.«
»Melde dich bei ihnen, und dann reden wir in Athen in Ruhe weiter, sobald du bei den Kollegen fertig bist.«
»Warte noch, Herr Gikas möchte dich sprechen.«
»Es geht ihr gut«, bekräftigt Gikas. »Sie ist müde und er schöpft, aber ansonsten gut beisammen. Uns hingegen geht es gar nicht gut.«
»Wieso?«
»Schalten Sie den Fernseher an, dann erfahren Sie wieso.«
Ich wische mir mit einem Handtuch schnell den Rasierschaum ab und schalte den Fernseher an. Mein erster Gedanke ist, die Terroristen hätten die weitere Erschießung einer ausländischen Geisel vorgenommen. Ich treffe nicht ganz ins Schwarze, aber fast. Das schließe ich aus der Erklärung, die über den Bildschirm flimmert, deren zweite Hälfte ich noch mitbekomme.
»Unsere Kompromißbereitschaft ist mit der Freilassung der Polizistentochter erschöpft. Von morgen an werden wir - beginnend mit den Staatsangehörigen der Länder, die an den nato-Bombardements beteiligt waren - so lange täglich eine Geisel töten, bis die Ermittlungen über das angebliche Massaker in Srebrenica eingestellt und endgültig ad acta gelegt werden.«
Das wird den Minister kaum kratzen, sage ich mir. Der Minister wird Gikas unter Druck setzen, und Gikas wird den Leiter der Antiterrorabteilung unter Druck setzen - immer mit den Worten auf den Lippen, die sich so leicht sagen lassen: »Unternehmen Sie endlich was!«
* 25
Obwohl Gikas enorm unter Druck steht, kümmert er sich darum, daß Katerina in Ruhe gelassen wird. Er schlägt mir vor, der Helikopter könnte die Insassen auf der Luftwaffenbasis Tatoi absetzen. Denn wenn er sie zum Präsidium oder zum Ministerium für öffentliche Ordnung in der Katechaki-Straße brächte, dann würde die Journalistenmeute bereits geifernd auf sie warten. Gleichzeitig läßt er von Kreta aus durchsickern, der Helikopter würde Kurs auf die Katechaki-Straße nehmen.
»Wenn sich die Journalisten aufregen, dann erklären wir, der Pilot wäre im Eifer des Gefechts gleich weiter nach Tatoi geflogen.«
»Und das werden sie schlucken?«
»Nein, aber Irrtümer haben zwei gute Seiten: Erstens sind sie menschlich, und zweitens kann man das Gegenteil nicht beweisen. Auf diese Weise machen wir sie mundtot.«
Während ich vom Autobahnkreuz in Kifissia über die Dekelias- auf die Tatoiou-Straße fahre, denke ich darüber nach, ob Gikas' Handlungsweise mich zwingen könnte, meine Haltung ihm gegenüber zu ändern. Zunächst
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