Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
einmal stellt sich die Frage, ob ich mich in seiner Schuld fühlen muß. Eigentlich nicht, denn schließlich ist er Polizeibeamter und tut seine Pflicht wie wir alle, oder zumindest die meisten von uns. Und wenn er für die Tochter eines Kollegen etwas darüber hinaus tut, muß ich nicht gleich ganzseitige Danksagung in der Zeitung schalten. Andererseits war sein Interesse während der ganzen Zeit mehr " rein dienstlich oder kollegial. Er hielt mich und Andere telefonisch auf dem laufenden und kam uns in jeder Weise entgegen. Und nun sorgt er dafür, daß Katerinas Privat Sphäre geschützt bleibt. Folglich stehe ich schon in Seiner Schuld und muß ihm eine gewisse Dankbarkeit zeigen
Die zweite Frage ist, ob Gikas das Gefühl hat, ich sei ihn, nun verpflichtet. Wenn ja, wird er nicht auf meine Dankes bezeigungen warten, sondern bei der erstbesten Gelegenheit sein Engagement mit der Forderung verknüpfen, ich möge mich aus heiklen Ermittlungen heraushalten bzw. ihm über jeden Schritt Rechenschaft ablegen. Außergewöhnliche Situationen bringen bekanntlich Menschen einander näher, doch die Rückkehr in den Alltag bringt die eingeschliffenen Verhaltensmuster zumeist wieder zum Vorschein. Das bedeutet, sobald sich die Dinge normalisieren, werde ich wieder meinen Kopf durchsetzen, und er wird die Decke hochgehen, oder ich werde in politisch gefährliche Bereiche vordringen, und er wird vor Wut im Quadrat springen.
Der Hubschrauber soll gegen fünf Uhr nachmittags in Tatoi landen. Als ich in die Tatoiou-Straße einbiege, wird mir klar, daß ich noch eine Stunde Zeit habe. Die Wagenfenster sind offen, und der Mirafiori ist angenehm durchlüftet. Wie viele Wochen ist es her, daß Fanis' Eltern mich mitten in der Nacht mit der schlimmen Nachricht von der Geiselnahme weckten? Keine Ahnung. Ich weiß nur, daß ich klug genug war, sie nicht zu zählen. Ich ließ die Tage an mir vorüberziehen, da ich fürchtete, sonst könnte ich in einem Countdown mit Endstation Wahnsinn oder
Ähnlichem enden. Jetzt, da ich Katerina abholen fahre, geht es mir ^ Adriani: Auch ich kann mich nicht freuen. Ich versuche, mich über die Situation hinwegzutäuschen und mir einzureden sie kehrten aus den Ferien heim. Aber wie viele Urlauber landen dabei schon auf der Luftwaffenbasis Tatoi? Nicht einmal der Oberbefehlshaber der Streitkräfte.
»Geradeaus, Herr Kommissar, bis zum Parkplatz. Dort lassen Sie Ihren Wagen stehen und gehen zu Fuß weiter. Rechterhand liegt die Cafeteria, von dort werden Sie abgeholt«, erklärt mir der Wachmann an der Einfahrt.
Seinen Anweisungen folgend gelange ich auf den Parkplatz. Dort lasse ich den Mirafiori stehen und wende mich zur Cafeteria, die in einem einstöckigen Gebäude liegt. Ich trete direkt an die Bar und bestelle kurz entschlossen Kaffee-Frappe mit Milch, da ich Zeuge werde, wie die Bedienung den griechischen Mokka mit einer riesigen Schaumhaube krönt. Nachdem ich Platz genommen habe, nippe ich an meinem Kaffee-Frappe, das nicht gerade mein Lieblingsgetränk ist. Zum Glück kommt kurz darauf ein Luftwaffen-oberst auf mich zu.
»Oberst Chiotopoulos, Herr Kommissar. Der Tower hat Bescheid gegeben, daß der Helikopter zur Landung ansetzt.«
Als erster springt Fanis gleich nach dem Öffnen der Luke auf den Boden. Dann hilft er Katerina beim Aussteigen. Sie trägt immer noch dieselben Kleider, die sie bei ihrer Abfahrt nach Kreta anhatte. Der Pilot hilft Adriani, die als letzte aussteigt.
Fanis hält Katerina an den Schultern umfaßt, um sie gegen den Wirbelwind der Rotoren zu schützen, während Adriani hinter ihnen vom Wind geschüttelt wird. Katerina hat den Blick auf die Asphaltpiste geheftet, als zählte sie ihre Schritte. Als sie bei mir anlangt, hebt sie den Blick. Ihr Gesicht ist erschöpft, die Haare zerzaust und die Augen gerötet. Sie löst sich von Fanis, fällt mir in die Arme und klammert sich an mich. Dabei sinkt ihr Kopf auf meine Schulter.
»Du bist erschöpft«, sage ich, weil mir nichts anderes einfällt. »Du mußt dich erholen.«
»Ja, aber es geht mir gut.« Sie hält kurz inne und fügt dann hinzu: »Ich muß mich nur selbst davon überzeugen, daß es mir gutgeht.«
»Du brauchst ein wenig Zeit. Sobald du dich etwas erholt hast und zur Ruhe gekommen bist, wird alles gut.«
Ich halte sie umschlungen und führe sie zum Parkplatz, wobei Fanis und Adriani uns folgen. Im Wagen behalten wir dieselbe Aufteilung bei: Katerina bleibt neben
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