Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau
sich.
»Wake up, es sind nicht mal mehr zweitausend Personen. Die haben sonst weiter nichts zu tun. Selbst Begräbnisse bringen etwas Farbe in ihren grauen Alltag.«
Ich lege auf und fühle mich hin- und hergerissen, ob ich zum Begräbnis gehen oder davon absehen und stattdessen die Lazaridou zu Hause besuchen soll. Die zweite Variante hat den Vorteil, unangenehmen Überraschungen zuvorzukommen. Wenn Murat vorhat, dabei zu sein, dann wird er mit Sicherheit auftauchen. Andererseits birgt das Begräbnis die Möglichkeit, über den Pfarrer hinaus noch andere Verwandte oder Bekannte des Opfers zu treffen und an nützliche Informationen zu kommen.
So entschließe ich mich, an der Beerdigung teilzunehmen, und, wie üblich, bitte ich die Mouratoglou um Hilfe. »Darf ich Sie um einen Gefallen bitten?«, frage ich sie. »Könnten Sie mir die Telefonnummer der griechischen Schule von Makrochori besorgen?«
»Möchten Sie den Hausmeister anrufen?«
»Ich möchte herausfinden, wann Adamoglous Beerdigung sein wird. Und Herr Panajotis hat neben dem Amt des Hausmeisters auch den Posten des Küsters inne.«
»Alles klar«, sagt sie und erhebt sich, um mir behilflich zu sein.
Sie braucht nicht länger als zwei Minuten, um die Nummer aufzutreiben. Sie wählt und übergibt mir den Hörer. Nach dem dritten Läuten dringt Panajotis' dumpfes »Hallo« an mein Ohr.
»Herr Panajotis, ich bin der Kommissar aus Athen, mit dem Sie gestern gesprochen haben. Können Sie mir vielleicht sagen, wann die Adamoglou beerdigt wird?«
»Ach ja! Die Zahl der Leute ist stark zurückgegangen, also auch die Zahl der Verstorbenen und der Pfarrer. Ich habe den Popen angerufen, der bei uns die Messe liest. >Vor Sonntag ganz unmöglich<, hat er gesagt. >Pater, die fängt an zu stinken<, hab ich gemeint. >Die ist schon drei Tage tot.< Na ja, der langen Rede kurzer Sinn: Er hat heute Mittag eine Stunde Zeit, die Beerdigung ist also heute um zwölf.«
»Und wie finde ich zur Kirche?«
»Wie sind Sie unterwegs?«
»Mit dem Taxi.«
»Das ist einfach. Sie sagen dem Chauffeur >Rum kil<«, und das Wort, das er sagt, kann ich nicht behalten. »Achten Sie darauf, >Rum< zu sagen, weil es auch noch eine armenische Kirche in Makrochori gibt.«
Aus dieser Ergänzung schließe ich, dass mit dem Wort >Kirche< gemeint war, und so suche ich wieder bei der Mouratoglou Rat. »Wie sagt man denn griechische Kirche< auf Türkisch?«
»Rum kilisesi. Warum fragen Sie?«
»Weil ich an einem Begräbnis teilnehmen muss, das in der Kirche von Makrochori stattfindet.«
Adriani bleibt die Luft weg, und sie beruft sich auf den Allmächtigen, wie jedes Mal, wenn sie meinetwegen aus der Haut fährt. »Himmelherrgott noch mal! In Athen gehst du nie auf Beerdigungen. Und hier in Istanbul plötzlich doch? Ich wusste gar nicht, dass hiesige Begräbnisse touristische Attraktionen sind.«
»Ich muss dienstlich hin.«
»Dienstlich? Hast du auch deine Uniform dabei?«
Gerne würde ich ein paar klare Worte darüber loswerden, wie undankbar sie ist, wo ich ihr doch zu einem verlängerten Ferienaufenthalt verhelfe. Doch ich halte mich zurück, um nicht vor der Mouratoglou mit ihr zu zanken. Und die Mouratoglou scheint mir sogar nachfühlen zu können, denn sie kramt verlegen in ihrer Handtasche, holt schließlich einen Kugelschreiber hervor, notiert etwas auf eine Papierserviette und überreicht sie mir.
»Geben Sie das dem Taxifahrer, damit kann er sich zur Kirche durchfragen«, meint sie.
Ich schätze Mouratoglous Bemühungen, die Wogen zu glätten, doch sie weiß nicht, dass Adriani niemals auf ein schnelles knock out aus ist. Sie geht stets über alle zehn Runden und macht einen mit kleinen Seitenhieben fertig.
»Hatten wir nicht ausgemacht, unsere Tickets umzubuchen?«
»Das machen wir am Nachmittag, sobald ich zurück bin.«
»Falls dann das Reisebüro noch geöffnet hat.«
»Wir gehen zusammen hin, Frau Charitou«, beruhigt sie die Mouratoglou. »Lassen Sie uns Ihr Ticket hier«, meint sie zu mir.
»Das habe ich bei mir«, sagt Adriani halbherzig, da ihr die Mouratoglou die Grundlage für ihre Krittelei entzieht.
Ich ergreife die Gelegenheit, um die Diskussion zu beenden und mich aus der Kampfzone zurückzuziehen. Ich trete aus dem Hotel und gehe in Richtung Taksim-Platz, da dort ständig freie Taxis vorbeifahren. Ein leichter Nieselregen hat eingesetzt, und
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