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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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paar Katies mit gleichem Nachnamen diejenige aus, die trotz einer in die Stirn gezogenen Kappe und riesig geschminkten Augen der Katie, die sie kannte, am ähnlichsten schien. Sie hatte vierhundertneun Freunde. Pilar sah, dass sämtliche jungen Ückesdorfer und Röttgener zwischen fünfzehn und fünfundzwanzig Jahren, die ihr je über den Weg gelaufen waren, darunter waren. Auf Katies Pinnwand fand Pilar launische Bemerkungen über Schule und Lernen, ein paar Links zu Musikgruppen und Events, die Hammer waren, sowie kurze Buchstabenkombinationen, deren Bedeutung wohl nur Gleichaltrige verstanden, außerdem eine Reihe Fotos, darunter zwei Probenfotos und das Plakat von »Zwei Mörder und ihr Kommissar«.
    Größtenteils enthielt Katies Facebook-Album Partyfotos: Katie lachend, tanzend und herumalbernd, mit Zigarette, mit Bierflasche, mit Bratwurst, umgeben von einem halben Dutzend anderer junger Leute in rötlichem Licht. Pilar erkannte einige: Niklas, der über einer Stuhllehne hing wie eine Stoffpuppe und zu schlafen schien, Patricias Sohn Jonas mit zwei Mädels im Arm, Tommy mit bayrischem Maßkrug, Max mit dem Grünzeug einer Ananas auf dem Kopf, Sarah mit Wodkaflasche und – Pilar schloss die Augen und öffnete sie wieder. Nein, sie hatte sich nicht getäuscht. Ein Foto zeigte Lukas, wie er Katie einen Kuss auf die Lippen drückte. Um Gottes willen! War er däm Katie sing Schätzjen ? Hatte Rita aus diesem Grund geschwiegen? Wo war das Herzchen? Sie fand keines. Was bedeutete schon ein Kuss auf einer Party? Ganz bestimmt nichts. Hoffentlich nichts.
    Am Abend holte sich Pilar den Hund für eine weitere Nacht.
    »Und morgen bitte noch einmal«, sagte sie zu Sylvia. »Richy kommt erst am Freitag zurück.«
    »Morgen geht es nicht«, erklärte Sylvia. »Wir fahren nach Hamburg und wollen den Hund mitnehmen.«
    Pilar hatte das Gefühl, zwei Zentimeter kleiner zu werden. Eine Nacht ohne Nogger … Sollte sie Freddy bitten, bei ihr zu übernachten und Billy allein zu Hause zu lassen? Sie verwarf den Gedanken gleich wieder. Freddy hatte mal erzählt, er schlafe so fest, dass er nicht wach geworden sei, als zwei Einbrecher seinen Hund mit einem Gummiband um die Schnauze in die Toilette gesperrt und anschließend sein Haus leer geräumt hätten.
    »Wir fahren erst nach der Beerdigung«, sagte Sylvia. »Das sind wir Frau Holzbeisser schuldig. Meike hatte sie in Musik und Deutsch.«
    Ach ja, Meike, die Tochter. Sie war so alt wie Damian und studierte in Hamburg.
    »Frau Holzbeisser war eine bewundernswerte Lehrerin. Dass ausgerechnet sie das Opfer eines Verbrechens werden musste …« Der Blick aus Sylvias schmal geschnittenen Augen glitt über Pilars Gesicht – nachdenklich, kritisch, er war kaum zu deuten.
    Pilar war bei diesem Blick unwohl. »Hat Meike sie gemocht?«, fragte sie schnell.
    Der Ausdruck auf Sylvias glattem Gesicht wich einem wehmütigen Lächeln. »Sie liebte es, bei den Opern mitzumachen, die Frau Holzbeisser inszeniert hat, die waren ja großartig. Gibt es Schüler, die sie nicht gemocht haben?«
    »Die Jungs haben so etwas angedeutet«, antwortete Pilar vorsichtig.
    »Jungens, na ja«, sagte Sylvia mit einer Betonung, als hielte sie Jungens für Angehörige primitiver Volksstämme auf fernen Inselgruppen. »Die lästern gern, und vom Arbeiten halten sie nicht viel. Bei schlechten Noten wird gleich auf den Lehrer geschimpft. Meike hat Frau Holzbeisser sehr nett gefunden. Natürlich hatte sie immer gute Noten.«
    Natürlich. Pilar fühlte sich versucht, ein Plädoyer für die geschmähten Jungens zu halten, verabschiedete sich aber lieber. Nogger trottete neben ihr über die Straße. Es ist nicht schwer, sich von anderen ein Bild zu machen, dachte sie, aber wie stellt man fest, ob es auch zutrifft? Vielleicht war es ein Ding der Unmöglichkeit, sich das richtige Bild zu machen. Im Moment verdüsterte sich ihr Bild von Sylvia. Als sie die Küche betrat, beäugte sie die Pralinenschachtel, die Sylvia ihr am Sonntag vorbeigebracht hatte, mit leichtem Misstrauen.
    Trotz der Anwesenheit des Hundes konnte Pilar spätabends nicht einschlafen. Draußen war es windig, und die Stängel und Blätter des Bambusbusches strichen mal raschelnd, mal quietschend am Fenster entlang. Falls jemand ums Haus schlich, würde sie es nicht hören. Nogger schnarchte und schien so fest zu schlafen, dass Pilar befürchtete, er sei nicht nur blind, sondern auch taub.
    Sobald sie die Augen schloss, sah sie Katie vor sich. Katie, die

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