KR114 - Ich und der Mord im Jazz
Seite.
Es schoß niemand. Statt dessen verpaßte mir jemand einen Herzhaken, daß ich nach Luft schnappte.
Ich schlug zu und traf einen Stuhl. Ärgerlich, sinnlos und vor allem schmerzhaft, einen Stuhl zu verprügeln.
Ich duckte mich, hnb die Hände an und lauschte.
Weiter wußte ich im Moment nichts zu tun, und das war herzlich wenig, zu wenig, wie ich Sekunden später feststellen mußte.
Jemand schlug mir die Handkante in den Nacken.
Ich hatte das Gefühl, als wäre mein Kopf ein Fußball, der in ein Feuerwerk geschleudert würde.
Dann rutschte ich ab, in ein unermeßlich tiefes Loch, das mit dumpfem Brausen angefüllt war.
Ich griff müde zur Halfter, zog den Revolver und schoß.
Ich konnte die Hand mit der Waffe nicht mehr heben. Ich schoß einfach in den Boden, mechanisch, sinnlos, dreimal. Dann schlief ich ein.
***
Ich wachte auf.
Dorothy hatte sich über mich gebeugt und rieb mir die Stirn mit irgendeiner unerhört gut riechenden scharfen Flüssigkeit.
»Wo ist er?« fragte ich.
Dann sah ich, daß Dorothys Kleid an der Schulter aufgerissen war.
Zwei Bühnenarbeiter, die ich schon von gestern abend her kannte, standen neben ihr.
»Wir haben ihn nicht mehr erwischt«, sagte einer. »Wir hatten gerade unsere Scheinwerfer verschnürt, da hörten wir die Schüsse. Wir liefen hier rein, da rannte uns Miß Mereer schreiend entgegen und klammerte sich an uns.«
»Ich war wie verrückt vor Angst«, sagte sie und goß von dem Parfüm erneut auf ihr Taschentuch, um meine Stirn damit in ein Duftkissen zu verwandeln. »Ich wollte gerade in meine Garderobe, als ich die Schüsse hörte und ein Mann mir entgegenkam.«
»Konnten Sie ihn erkennen? War es noch dunkel?« fragte ich sie.
»Das Licht im Gang brannte«, erklärte einer der Männer.
»Ich hatte es eingeschaltet, als ich den Gang betrat«, sagte Dorothy. »Ich konnte ihn erkennen.«
»Wie sah er aus?«
»Ich — ich könnte ihn nicht beschreiben. Ich war derartig verwirrt. Aber ich würde ihn wiedererkennen, wenn ich ihn sähe. Er riß mich zur Seite, mit einer Wucht, daß mein Kleid zerriß. Ich taumelte gegen die Wand. Ich sah Sie im Zimmer liegen, Jerry, und rannte fort, um Hilfe zu holen. Die beiden Männer hier kamen mir entgegen.«
»Wir beruhigten sie ein wenig und wollten hinter dem Kerl her. War aber schon zu spät. Er war durch den Torweg entwischt. Na, und suchen Sie mal auf der Sixth Avenue einen Mann, von dem Sie nicht einmal wissen, wie er aussieht!«
»Durch den Toweg?« Ich stand auf und trat, wenn auch noch ein wenig wackelig auf den Beinen, auf‘den Gang hinaus. »Kann man denn von hier aus auch den Torweg erreichen?«
Einer der Männer ging mir vorain.
»Wenn das so weitergeht, werde ich Ihnen noch einen Grundriß vom ganzen Haus liefern müssen«, meinte er. Er hatte uns schon gestern Auskunft gegeben, als wir wegen Koenig hier waren, da allerdings auf der anderen Seite, der Herrengarderobe.
Wir gingen bis zum Ende des Flurs.
»Von hier aus geht’s zum Lagerraum, dort öffnet sich eine Schiebetür auf eine Verladerampe, die sich im Torweg befindet.«
Ich folgte ihm in den Lagerraum. Große Versatzstücke, Kulissenteile und Stoffballen lagen hier herum.
Die Schiebetür war geöffnet. Wir blickten in den Torweg, den Phil und ich bereits gestern durchschritten hatten, ohne allerdings die Schiebetür zu bemerken.
»Der Kerl ist hier raus und ist auch hier reingekommen. Die Verbindungstür zwischen Gang und Bühne stand offen, als wir noch auf der Bühne arbeiteten. Er hatte also von uns gesehen werden müssen, wenn er von vorn gekommen wäre.«
Als ich, meinen Nacken massierend, in Dorothys Garderobe trat, hatte sie bereits ihren Pelzmantel angezogen.
»Nerz?« fragte ich und pfiff durch die Zähne.
Sie lachte: »So was Ähnliches, nur nicht so teuer.«
»Dank Ihrer Samariterdienste rieche ich jetzt wie ein Friseurladen, Dorothy.«
Ich ging zum Waschbecken und spülte mein Gesicht mit Wasser.
»Wo gehen wir hin?« fragte ich prustend.
»Ist es denn so sicher, daß wir irgendwohin gehen?« meinte sie lächelnd.
»Fast sicher, Dorothy. Wollen wir nicht versuchen, irgendwo diesen ganzen scheußlichen Abend zu vergessen? Irgendwo, wo es nett und gemütlich ist? Außerdem wollte ich Sie noch etwas fragen.«
Sie nickte. »Ich sah an Ihrem Gesicht, daß Ihnen die Aussage dieses unsympathischen baumlangen Burschen, dieses Privatdetektivs, in die falsche Kehle gerutscht war. Ja, Jerry, es stimmt. Wiely hat gestern abend
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