KR127 - Ich bluffte den Hafenboß
sein erster Auftritt so ausgezeichnet geklappt hatte, hatte ihm wohl ein wenig Mut gemacht.
»Nein, Donald«, antwortete er. »Komm heraus, wenn du mir noch etwas zu sagen hast.«
Kent kam sofort. Er lächelte, aber seine Augen glitzerten wie Eis unter der Sonne.
»Einverstanden, Al. Ab morgen wirst du Ladeführer.«
»Danke«, sagte Fend, »und wie ist es mit der Löhnung für die Tage des Arbeitsausfalls?«
Der Hafen-Boss zeigte seine Zähne, aber das war kein Lachen. »Du verlangst viel, Al. Das gibt es nicht, aber Vincon mag dir eine Zuteilung aus der Unterstützungskasse für besondere Notlagen der Mitglieder geben. – Vincon«, brüllte er in die Hütte hinein, »Fend bekommt 100 Dollar!«
Der Kassierer erschien kurz darauf mit einigen Scheinen und übergab sie Fend mit unbewegtem Gesicht.
»Wiedersehen, Al«, sagte Kent und winkte mit der Hand. Er fasste mich am Ärmel und zog mich mit in die Hütte hinein.
»Ich verstehe das nicht«, knurrte Lugger und schüttelte seinen Stierschädel. »Woher nimmt er die Frechheit?«
Kent antwortete nicht, sondern kaute an seiner Zigarre.
»Ich denke, Donald«, fuhr Lugger fort, »wir erledigen ihn noch heute Nacht.«
Der Hafen-Boss schüttelte den Kopf. »Nein, Trux, er mag eine Woche oder zwei ruhig den Ladeführer spielen. Das hat sogar noch einige Vorteile. Wenn er bevorzugt wird, werden seine Kameraden von ihm abfallen. Er wird alle Sympathien verlieren, und niemand wird auf die Idee kommen, wir könnten es gewesen sein, die ihn dann eines Tages auf den richtigen Weg gebracht haben.«
Ich ballte ärgerlich die Faust. Mit solcher Entwicklung hatte ich eigentlich nicht gerechnet. Ich hatte erwartet, Kent würde das Rollkommando gegen Al sofort ernennen, und ich hätte mich dann eingedrängt. Jetzt verschoben sich die Aussichten, und ich musste 14 lange Tage höllisch aufpassen, dass sie nichts gegen Fend unternahmen, ohne dass ich überhaupt Wind davon bekam. Donald Kents Stimme änderte plötzlich den Tonfall.
»Ich möchte etwas ganz anderes wissen, Trux«, sagte er schneidend. »Wer von euch hat sich so blöde angestellt, dass Fend von der Geschichte etwas mitbekam?«
»Ja, ich weiß nicht, Donald«, stotterte der Boxer. »Wir haben sehr aufgepasst. Es war niemand in der Nähe, als…«
»Wenn das noch einmal vorkommt«, knurrte Kent leise, »dann rechne ich mit dem Tollpatsch persönlich ab.«
***
Eine Woche lang passierte nichts. Al Fend bekam den Posten des Ladeführers, und ich lungerte weiterhin tagsüber im Gewerkschaftsbüro und abends und nachts im »Yockey« herum. Ich wurde unruhig, wenn einer oder gar zwei von den Hafengangstern abwesend waren, und ich sie so nicht unter meiner Kontrolle halten konnte. Einmal gingen Lugger, Forbes und Comb nach dem Abendessen fort. Ich war so unruhig, dass ich ihnen nachschlich und dabei meine Entdeckung riskierte. Sie gingen dann friedlich ins Kino, und ich kehrte fluchend an der Kasse um.
Hin und wieder traf ich Phil oder auch Al Fend in dem verfallenen Lagerschuppen am achtzehnten Pier. Sie hatten nichts besonderes zu vermelden, und Phil war sogar sicher, dass Donald Kent seinen Feind nicht einmal beobachten ließ.
Al Fend litt darunter, dass seine alten Freunde, Hobbiers, Bacco, Hommer und auch die anderen Arbeiter ihn wie einen Verräter behandelten. Wir maßen dem keine Bedeutung bei, und doch sollte es gerade die Empfindlichkeit Fends sein, die später ihn und uns in eine böse Situation brachte.
Am Abend des zehnten Tages nach dem Auftritt in der Hütte schien sich endlich etwas zusammenzubrauen. Donald Kent erschien und zog sich mit Lugger und Vincon in eine Ecke zurück. Sie steckten die Köpfe zusammen und tuschelten miteinander. Das Geflüster dauerte fast eine Stunde. Dann wurden Comb und Forbes zugezogen. Ich saß wie auf glühenden Kohlen und hätte mein Glas am liebsten an Gomez’ Zähnen zerschmettert, damit er endlich aufhörte, mir die endlosen Geschichten seiner Erfolge auf der Girljagd zu erzählen. Ich fasste einen Entschluss, der nicht ganz ungefährlich war. Gangsterbosse reagieren manchmal heftig, wenn man sich allzu nachdrücklich in ihren Kreis drängt.
Ich stand also auf und schlenderte an den Beratungstisch hinüber.
Donald Kent sah auf.
»Was willst du, Billy?«, fragte er relativ freundlich.
»Boss«, antwortete ich, »ich denke, Sie knobeln die Sache gegen Al Fend aus. Ich möchte mitmachen. Ich will mein Geld nicht für nichts verdienen.«
»Hau ab!«, schrie Steve
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