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Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition)
Autoren: Otfried Preußler
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hätten, wenn nicht Schlimmeres! Doch man wisse ja aus Erfahrung, dass Kinder, Narren und Saufköppe ihren besonderen Schutzengel hätten.
    »Maul halten!«, schnauzte der Korporal. »Verschwindet jetzt, fertig gemacht zum Abmarsch! Und Er da, der Pockennasige, lass Er sich an die Zähne fassen!«
    Da Andruschs Zähne der Probe standhielten, brauchte der Leutnant sich kein Gewissen daraus zu machen, als er entschied, dass der Bursche tauglich sei.
    Nach dem Frühstück rückten die Werber mit den Rekruten ab. Sie marschierten nach Kamenz, zum Musterplatz ihres Regiments: an der Spitze der Leutnant, vom Tambour gefolgt, dann die Müllerburschen in Reih und Glied, dann die beiden Gefreiten und schließlich, am Ende des Zuges, der Korporal. Die Mühlknappen waren bei guter Laune, ihren Begleitern schien minder wohl zu sein.
    Je länger der Weg, desto bleicher und käsiger wurden sie im Gesicht, desto häufiger musste der eine oder der andere in den Büschen am Wegrand verschwinden. Krabat, mit Staschko im letzten Glied marschierend, hörte, wie einer der beiden Gefreiten dem anderen klagte: »Bei Gott, Kamerad, es ist mir, als hätte ich zehn Pfund Kleister gefressen – so scheußlich liegt mir’s im Magen!«
    Krabat wechselte einen belustigten Blick mit Staschko. »Das kommt davon«, dachte er, »wenn man Sägespäne für Nudeln in sich hineinschlingt, verschimmeltes Brot für Rauchfleisch und Tabakskrümel für Majoran!«
    Am Nachmittag ließ sie der Leutnant am Rand eines Birkenwäldchens noch einmal rasten.
    »Wir haben von hier eine Viertelmeile bis Kamenz«, sagte er. »Wer verschwinden muss, der verschwinde, denn dies ist die letzte Gelegenheit. – Korporal!«
    »Euer Gnaden?«
    »Lass Er die Kerls ihre Sachen in Ordnung bringen und halt Er sie an, dass sie nicht aus der Reihe tanzen, wenn’s in die Stadt geht– und dass sie brav Schritt halten, akkurat mit dem Trommelschlag!«
    Nach kurzem Aufenthalt setzte der Trupp sich erneut in Marsch, diesmal mit Trommelklang und Trompetenschall.
    Mit Trompetenschall?
    Andrusch hatte die Rechte zu einem Trichter geformt an die Lippen gesetzt und nun blies er aus vollen Backen den schwedischen Grenadiermarsch, wie ihn der beste Hornist auf dem prächtigsten aller Hörner nicht trefflicher hätte blasen können.
    Den anderen Burschen gefiel das. Auch sie fingen lautstark zu musizieren an: Tonda, Staschko und Krabat bliesen Posaune, Michal, Merten und Hanzo das Flügelhorn; die übrigen teilten sich in die kleinen und großen Trompeten und Juro spielte das Bombardon. Obgleich sie, wie Andrusch, nur auf den Händen bliesen, klang es, als käme da eine ganze königlich schwedische Regimentsmusik anmarschiert.
    »Aufhören!«, wollte der Leutnant schreien und »Aufhören, Lausekerls, aufhören!«, setzte der Korporal zu brüllen an. Doch sie brachten kein Wort heraus und sie konnten auch nicht, wie sie gern gewollt hätten, mit dem Krückstock dazwischenfahren. Sie mussten an ihren Plätzen bleiben und mitmarschieren, der eine voraus und der andere hinterdrein – da half alles nichts, auch kein Fluch und kein Stoßgebet.
    Mit Trompeten und Hörnerklang ging es nach Kamenz hinein, zum Gaudium aller Soldaten und Bürgersleute, denen sie auf der Straße begegneten. Kinder kamen herbeigelaufen und riefen Hurra, in den Häusern wurden die Fenster geöffnet, die Kamenzer Jungfern winkten ihnen und warfen Kusshände.
    Unter klingendem Spiel zogen Tonda und seine Mitgesellen samt der Eskorte etliche Male rund um den Rathausplatz, dessen Ränder sich rasch mit Zuschauern füllten, bis schließlich, vom Klang der verhassten schwedischen Feldmusik in Alarm versetzt, Herr Christian Leberecht Fürchtegott Edler von Landtschaden-Pummerstorff auf den Plan trat, Obrist Seiner allerdurchlauchtigsten Gnaden des sächsischen Kurfürsten Fußregiments zu Dresden, ein alter, in langen Dienstjahren etwas dicklich gewordener Haudegen.
    Herr von Landtschaden-Pummerstorff kam, von drei Stabsoffizieren und mehreren Ordonnanzen gefolgt, auf den Marktplatz gestapft. Ob des närrischen Schauspiels, das sich ihm darbot, wollte er seiner Entrüstung mit einem Schwall der erlesensten Flüche Luft machen – da verschlug’s ihm die Sprache.
    Denn Andrusch, kaum dass er den Herrn Obristen erspäht hatte, stimmte mit seinen Gefährten den Defiliermarsch der schwedischen Reiterei an – was, wie vorauszusehen, den Alten als wackeren kurfürstlich sächsischen Fußsoldaten in Weißglut brachte.
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