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Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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sich in die Lüfte: ein Habicht, der raschen Fluges davonstob.
     
    Humpelnd trat Krabat den Heimweg an. Alle paar Schritte musste er stehen bleiben. Bleigewichte hingen an seinen Füßen. Alle Knochen im Leib taten weh, alle Muskeln schmerzten ihn. Als er die Wittichenauer Straße erreicht hatte, ließ er sich in den Schatten des nächsten Baumes fallen und rastete. Wenn die Kantorka ihn jetzt sähe – was würde sie sagen?
    Nach einer Weile kam Juro des Weges getrottet, kleinlaut, mit schlechtem Gewissen.
    »He, Juro!«
    Der Dummkopf erschrak, als Krabat ihn anrief. »Du bist das?«
    »Ja«, sagte Krabat. »Ich bin das.«
    Juro wich einen Schritt zurück. Er deutete mit der einen Hand auf die Reitpeitsche, während er sich die andere vors Gesicht hielt. »Du wirst mich verprügeln, ja?«
    »Das sollte ich wohl«, meinte Krabat. »Der Meister erwartet es jedenfalls.«
    »Dann schnell!«, sagte Juro. »Ich hab meine Tracht verdient, das ist wahr – und da hätte ich’s hinter mir.«
    Krabat blies sich das Haar aus der Stirn. »Ob das Fell mir dann schneller heilte – was meinst du?«
    »Aber der Meister!«
    »Er hat es mir nicht befohlen«, erwiderte Krabat. »Es war bloß ein Rat von ihm. Komm her, Juro, setz dich zu mir ins Gras!«
    »Wie du meinst«, sagte Juro. Er zog aus der Tasche ein Holzstück oder was immer es war, damit zeichnete er einen Kreis um die Stelle, an der sie rasteten; dann versah er den Kreis mit drei Kreuzen und einem Drudenfuß.
    »Was tust du da?«, wollte Krabat wissen.
    »Ach – nichts«, sagte Juro ausweichend. »Bloß ein Schutz gegen Mücken und Schmeißfliegen, weißt du  … Ich lass mich nicht gerne piesacken. – Zeig mal den Rücken her!« Damit streifte er Krabat das Hemd hoch. »O weh, hat der Meister dich aber zugerichtet!« Er pfiff durch die Zähne, er kramte in seinen Taschen. »Ich hätte da eine Salbe, die trage ich stets bei mir, das Rezept stammt von meiner Großmutter – soll ich dich damit einschmieren?«
    »Wenn es was nützt«, meinte Krabat und Juro versicherte: »Schaden tut es auf keinen Fall.«
    Vorsichtig strich er Krabat die Salbe auf. Sie war angenehm kühl und machte die Schmerzen rasch abklingen. Krabat hatte den Eindruck, als wüchse ihm eine neue Haut.
    »Dass es so was gibt!«, rief er überrascht.
    »Meine Großmutter«, meinte Juro, »war eben eine kluge Frau. Wir sind überhaupt eine kluge Familie, Krabat – mich ausgenommen. Wenn ich mir vorstelle, dass du durch meine Blödheit ein Gaul hättest bleiben müssen für alle Zeiten  … « Er schüttelte sich und verdrehte die Augen.
    »Hör auf!«, bat ihn Krabat. »Du siehst ja, wir haben Glück gehabt.«
    Einträchtig wanderten sie miteinander heimzu. Als sie den Koselbruch fast durchquert hatten, kurz vor der Mühle, fing Juro zu hinken an.
    »Du musst mithumpeln, Krabat!«
    »Wieso?«
    »Weil der Meister nichts von der Salbe zu wissen braucht. Niemand braucht das zu wissen.«
    »Und du?«, fragte Krabat. »Warum hinkst du auch?«
    »Weil ich Prügel von dir bezogen habe, vergiss das nicht!«

 
    Ende Juni begannen sie mit dem Bau des Wasserrades. Krabat half Staschko das alte Mühlrad vermessen. Das neue musste in allen Teilen die gleichen Maße haben, weil sie es, wenn es fertig war, auf die vorhandene Mühlenwelle aufsetzen wollten. Hinter dem Pferdestall, zwischen Scheune und Schuppen, hatten sie ihren Zimmerplatz. Dort verbrachten sie nun die Tage damit, alles Nötige herzurichten, die Sprossen und Speichen, die Teilstücke für den Radkranz, die Streben und Schaufelbretter, wie Staschko es ihnen aufriss und anschaffte.
    »Alles muss stimmen!«, schärfte er den Gehilfen ein. »Damit wir beim Radhub nicht zum Gespött werden!«
    An den Abenden war es jetzt lange hell, da saßen die Müllerburschen bei schönem Wetter oft vor der Mühle im Freien und Andrusch spielte auf seiner Maultrommel.
    Gern wäre Krabat um diese Zeit einmal nach Schwarzkollm gegangen. Kann sein, dass die Kantorka vor dem Haus gesessen und ihm gewinkt hätte, seinen Gruß erwidernd, wenn er vorüberschlenderte. Oder war sie vielleicht mit den anderen Mädchen beisammen und sangen sie wieder? An manchen Abenden, wenn der Wind von Schwarzkollm kam, glaubte er den Gesang in der Ferne hören zu können; aber das war ja wohl nicht gut möglich, über den Wald herüber.
    Wenn er nur einen Vorwand gefunden hätte, um wegzukommen: einen vernünftigen, unverfänglichen Grund, der selbst Lyschkos Misstrauen nicht

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