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Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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geweckt hätte! Möglich, dass sich ihm eines Tages ein solcher Vorwand von selbst bot, ohne dass er damit Verdacht erregte – und ohne die Kantorka in Gefahr zu bringen.
    Im Grunde genommen wusste er ja nicht viel von ihr. Wie sie aussah: das wohl. Wie sie ging und den Kopf hielt und wie ihre Stimme klang, das wusste er nun so sicher, als ob er’s von jeher gewusst hätte; und er wusste auch, dass sich die Kantorka nie wieder würde wegdenken lassen aus seinem Leben – so wenig, wie Tonda sich daraus wegdenken ließ.
    Dabei kannte er nicht einmal ihren Namen.
    Er fragte sich hin und wieder danach und es machte ihm Freude, ihr einen auszusuchen: Milenka  … Raduschka  … Duschenka wäre ein Name, der zu ihr passen könnte.
    »Gut«, dachte Krabat, »dass ich nicht weiß, wie sie wirklich heißt. Wenn ich den Namen nicht kenne, kann ich ihn auch nicht preisgeben: wachend nicht und im Schlaf nicht, wie Tonda mir’s auf die Seele gebunden hat, damals vor tausend Jahren, als wir am Feuer saßen in jener Osternacht – er und ich.«
     
    Tondas Grab hatte Krabat noch immer nicht aufgesucht. Einmal in diesen Wochen, als er beim ersten Morgengrauen erwachte, stahl er sich aus der Mühle und lief in den Koselbruch. Tautropfen hingen an jedem Grashalm, in allen Zweigen. Wo Krabat gegangen war, hinterließ er im Gras eine dunkle Spur.
    Bei Sonnenaufgang stand er am unteren Ende des Wüsten Planes, unweit der Stelle, wo sie zum ersten Mal festen Boden erreicht hatten, als er mit Tonda vom Torfstich herübergekommen war.
    Unterwegs hatte Krabat am Rand eines Moortümpels ein paar Kuckucksblumen gepflückt, um sie Tonda aufs Grab zu legen.
    Nun sah er die Reihe der flachen, länglichen Hügel vor sich in der Morgensonne: einer war wie die anderen, ohne Kennzeichen, ohne Unterschied. Hatten sie Tonda am linken Ende der Reihe begraben oder am rechten? Die Abstände zwischen den Hügeln waren nicht gleichmäßig. Möglich, dass Tondas Grabstelle irgendwo zwischendrin lag.
    Krabat war ratlos. In seiner Erinnerung gab es nichts, was ihm Anhalt geboten hätte. Alles war weiß gewesen ringsum, als sie Tonda begraben hatten, eingeebnet vom Schnee.
    »Es soll wohl nicht sein«, dachte Krabat.
    Langsam schritt er die Reihe hinauf und legte auf jeden Hügel eine der Kuckucksblumen. Zum Schluss blieb ihm eine übrig. Er drehte den Stängel zwischen den Fingern, betrachtete sie und sagte: »Dem Nächsten, den wir hier draußen begraben werden  … «
    Dann ließ er die Blume fallen – und jetzt erst, während der kurzen Zeit, die sie brauchte, bis sie den Boden berührte, wurde ihm klar, was er da gesagt hatte. Krabat erschrak, doch das Wort ließ sich nicht zurücknehmen und die Blume lag da, wo sie lag: am oberen Ende der Reihe, zwischen dem Hügel, der sich am weitesten rechts befand, und dem Waldrand.
    Daheim in der Mühle schien niemand gemerkt zu haben, wo Krabat gewesen war; und doch hatte einer ihn heimlich beobachtet: Michal. Am Abend nahm er sich Krabat unter vier Augen vor. »Die Toten sind tot«, sagte Michal. »Ich habe es dir schon einmal gesagt und ich sage dir’s noch einmal. Wer auf der Mühle im Koselbruch stirbt, wird vergessen, als ob es ihn nie gegeben habe: nur so lässt sich’s für die anderen weiterleben – und weitergelebt muss werden. Versprich mir, dass du dich daran halten wirst!«
    »Ich verspreche es.«
    Krabat nickte – doch während er nickte, wusste er, dass er etwas versprach, was zu halten er weder gewillt noch imstande war.
     
    Die Arbeit am neuen Wasserrad dauerte, alles in allem, gute drei Wochen. Sie verwendeten keinen einzigen Nagel dabei. Die Teile wurden genau aufeinander eingepasst und verzapft; später dann, wenn sie das Rad zu Wasser gebracht hatten, würden die Zapfen aufquellen: das hielt besser als jeder Leim.
    Ein letztes Mal überzeugte sich Staschko davon, dass die Maße stimmten und nichts mehr fehlte; dann ging er zum Meister, um ihm zu melden, das Rad sei fertig.
    Der Meister bestimmte den nächsten Mittwoch zum Tag des Radhubs. Nun hätte er Botschaft an alle Müller im Umkreis senden und sie mit ihren Knappen auf diesen Tag zu sich einladen müssen, wie es der Brauch war. Aber der Müller im Koselbruch hielt nichts von solchen Bräuchen, ihm konnten die Nachbarsmüller gestohlen bleiben, er meinte: »Was soll uns das fremde Volk auf der Mühle? Den Radhub schaffen wir auch allein.«
    Für Staschko, Krabat und Kito blieb bis zum Mittwoch genug zu tun. Das alte

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