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Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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danach, klammert sich an dem Querholz fest – dann spürt er, wie die Gestalt ihn am Seil aus dem Moor herauszieht auf festen Grund.
    Das geht schneller, als Krabat gedacht hat. Nun steht er vor seinem Retter und will ihm danken.
    »Lass gut sein«, sagt Juro – und jetzt erst merkt Krabat, dass er es ist, der ihm herausgeholfen hat. »Wenn du wieder mal nach Schwarzkollm willst, solltest du lieber fliegen.«
    »Fliegen?«, fragt Krabat. »Wie meinst du das?«
    »Nun – wie man eben auf Flügeln fliegt.«
    Das ist alles, was Juro antwortet, dann verschluckt ihn der Nebel.
    »Fliegen  … «, denkt Krabat. »Auf Flügeln fliegen  … « Es wundert ihn, dass er nicht selber auf den Gedanken gekommen ist.
    Er verwandelt sich augenblicklich in einen Raben, wie er das jeden Freitag tut, breitet die Fittiche und erhebt sich vom Boden. Mit ein paar Flügelschlägen schwingt er sich über den Nebel empor und hält auf Schwarzkollm zu.
    Im Dorf scheint die Sonne. Zu seinen Füßen sieht er die Kantorka, wie sie am unteren Brunnen steht, eine Strohschüssel in der Hand, und die Hühner füttert – da streift ihn ein Schatten, der Schrei eines Habichts gellt ihm ins Ohr. Dann hört er ein Sausen, ein Pfeifen, im letzten Augenblick dreht er im scharfen Winkel nach rechts ab. Um Haaresbreite verfehlt ihn der Habicht, er stößt ins Leere.
    Krabat weiß, dass es um sein Leben geht. Pfeilschnell, die Flügel angelegt, stürzt er sich in die Tiefe. Neben der Kantorka landet er, mitten im auseinanderstiebenden Hühnervolk. Auf dem Erdboden nimmt er Menschengestalt an, nun ist er in Sicherheit.
    Blinzelnd schaut er zum Himmel empor. Der Habicht ist weg, ist verschwunden, vielleicht hat er abgedreht.
    Da steht plötzlich der Meister am Brunnen, zornig streckt er die Linke nach Krabat aus. »Mitkommen!«, herrscht er ihn an.
    »Warum?«, fragt die Kantorka.
    »Weil er mir gehört!«
    »Nein«, sagt sie, nur dieses eine Wort – und das sagt sie auf eine Weise, bei der es kein Wenn und Aber gibt.
    Sie legt Krabat den Arm um die Schulter, dann hüllt sie ihn in ihr wollenes Umtuch ein. Weich und warm ist es, wie ein Schutzmantel.
    »Komm«, sagt sie. »Komm jetzt.«
    Und ohne sich umzublicken, gehen sie miteinander weg.

 
    Am anderen Morgen stellte es sich heraus, dass Merten verschwunden war. Sein Schlafplatz war aufgeräumt, die Decke lag sauber zusammengefaltet am Fußende, Arbeitskittel und Schürze hingen im Spind, unterm Schemel standen die Holzschuhe. Niemand hatte gesehen, wie Merten gegangen war. Sie bemerkten sein Fehlen erst, als er nicht zu Tisch kam. Da wurden sie stutzig und suchten ihn in der ganzen Mühle, aber sie konnten ihn nirgends finden.
    »Er hat sich davongemacht«, sagte Lyschko, »wir müssen’s dem Meister melden!«
    Hanzo vertrat ihm den Weg. »Das ist Sache des Altgesellen – falls dir das neu sein sollte.«
    Alle erwarteten, dass der Müller die Nachricht von Mertens Verschwinden mit einem Zornesausbruch quittieren würde, mit Flüchen, Geschrei und Verwünschungen. Nichts dergleichen geschah.
    Er habe vielmehr, so berichtete Hanzo den Burschen beim Mittagessen, die Sache nicht weiter ernst genommen. »Der Merten spinnt eben« – das sei alles gewesen, was er dazu gesagt habe; und die Frage des Altgesellen, was nun zu tun sei, habe er mit den Worten beantwortet: »Lass mal – der kommt von alleine wieder!« Und dies, so berichtete Hanzo weiter, habe der Meister mit einem Augenzwinkern gesagt, das sei schlimmer gewesen als tausend Flüche.
    »Da ist es mir inwendig kalt geworden, dass ich gemeint hab, ich muss auf der Stelle zu Eis erstarren. Wenn das bloß gut geht mit Merten!«
    »Ach was!«, meinte Lyschko. »Wer aus der Mühle wegläuft, muss wissen, was er sich einbrockt. Außerdem kann er schon was vertragen, der Merten mit seinem breiten Buckel.«
    »Findest du?«, fragte Juro.
    »Und ob!«, sagte Lyschko.
    Er schlug zur Bekräftigung mit der Faust auf den Tisch: da schwappte es ihm aus der Suppenschüssel entgegen – platsch!, ins Gesicht, dass er aufjaulte, denn die Suppe war seimig und kochend heiß.
    »Wer war das?«, rief Lyschko, sich Augen und Wangen abwischend. »Wer von euch?«
    Einer der Burschen musste es wohl gewesen sein, der es Lyschko auf diese Weise besorgt hatte, das war klar. Bloß Juro in seiner Einfalt schien an nichts Böses zu denken, ihm tat es leid um die gute Suppe.
    »Ein nächstes Mal«, meinte er, »solltest du nicht auf den Tisch hauen,

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