Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman
zu entdecken.
Sonntag, 7 . Mai, 23 . 37 Uhr
Heute war ich mit Sandro im Olympiastadion beim Spiel AS Roma gegen Parma. Obwohl die Roma 2:0 gewonnen hat, bin ich nicht zufrieden, weil es nicht mal einen Elfmeter gab. Wie schön das ist, wenn ein Spieler und der Torwart sich gegenüberstehen, Mann gegen Mann, ein unentrinnbares Duell, aus dem man entweder als Sieger oder als Besiegter, tot oder lebendig, hervorgeht! Ein Elfmeter ist wie der Hieb eines Gladiators – und das Olympiastadion erinnert stark an das Kolosseum, das schon vor Jahrhunderten 70.000 Zuschauer fasste.
Sonntag, 4 . Juni, 22 . 59 Uhr
Sandro erzählte mir, dass Anhänger des SC Neapel unser Olympiastadion wegen der Spruchbänder der Romanisti, die sie auf ihre besondere Weise willkommen heißen, nicht ausstehen können. Zum Beispiel im vergangenen Jahr, als es beim Spiel Rom – Neapel ein Spruchband mit der Aufschrift gab: »Willkommen, Neapel-Fans! Willkommen in Italien!« Die Römer trauen Neapolitanern wie Benedetta, der Hausmeisterin, eben nicht über den Weg.
Mittwoch, 7 . Juli, 22 . 42 Uhr
Als ich heute Morgen beim Cappuccino saß, fragte eine italienische Signora Sandro, wo die Via Ripetta sei, und er bat mich wie ein Schiffbrüchiger um Hilfe. Ich sagte der Signora, dass sie am besten mit der U-Bahn hinkäme, dass sie an der Station Flaminio nahe der Piazza del Popolo aussteigen müsse und dass es dann nur noch wenige Schritte bis zur Via Ripetta seien. Dabei erinnerte ich mich, wie Riccardo, der Taxifahrer, zu mir gesagt hat: »Dich hat die Wölfin gesäugt!« Mittlerweile kenne ich Rom, als wäre ich hier geboren und hätte immer hier gelebt. So kann ich mich ja doch mal fragen: »Bin ich ein Bastard wie die Zwillinge Romulus und Remus oder bin ich eher ein Adoptivsohn?« Die Frage ist doch die: Wie stelle ich es an, am Busen der Wölfin zu hängen, ohne von ihr gebissen zu werden? Jedenfalls muss ich zuerst einmal lernen, wie ein echter Wolf zu heulen: Auuuuuuuuuuuu …
Samstag, 22 . Oktober, 23 . 44 Uhr
Heute Morgen sprach Sandro mit mir über den Geburtenrückgang in Italien. Seiner Meinung nach ist das die Schuld der Regierung, weil sie für junge Paare keine Anreize schaffe. Dann ließ er sich lang und breit über das Phänomen der kleinen Monster aus, also über jene Kinder, die Eltern, Brüder, Schwestern und Gleichaltrige umbringen. Am Ende sagte er: »Wenn du Kinder zeugst, kannst du auch gleich Konkurs anmelden. Kinder sind wie Börsenkurse: Verlieren sie an Wert, finden sich keine Käufer mehr. Niemand hört auf die Empfehlungen des Papstes und des Präsidenten der Republik, man möge doch Kinder zeugen – weil die Kosten hoch, die Unwägbarkeiten immens und die Erträge gering sind.«
Die Wahrheit der Stefania Massaro
Wer der wahre Amedeo ist? Wirklich eine komische Frage. Es gibt keinen echten oder falschen Amedeo. Es gibt einfach nur einen Amedeo: den, der mich liebt und den ich liebe. Ich habe mal eine knappe Definition von Liebe gelesen: Liebe heißt verzichten. Amedeo hat für mich alles aufgegeben. Er verzichtete auf sein Vaterland, seine Sprache, seine Kultur, seinen Namen und seine Erinnerung. All das hat er getan, um mich glücklich zu machen. Er lernte Italienisch für mich, mochte die italienische Küche für mich, ließ sich für mich Amedeo nennen, kurz: Er wurde zum Italiener, um mir näher zu sein. Glauben Sie mir, die
Love Story
von Erich Segal ist nichts gegen meine Geschichte mit Amedeo.
Ich arbeite seit zehn Jahren in einem Reisebüro an der Piazza della Repubblica. Ich mag alles, was mit dem Reisen zu tun hat. Mit meinen Eltern und meinem Bruder Roberto habe ich als Kind viele Reisen unternommen, aber die schönste von allen war die in die Sahara. Die Tuareg haben es mir angetan, ihnen wollte ich nahe sein wie ein Baby der Brust seiner Mutter. Als wir abreisen sollten, fing ich an zu weinen und wollte nicht um alles in der Welt wieder nach Rom zurück. Für immer wollte ich dort bleiben, wie Isabelle Eberhardt. Meine Arbeit im Reisebüro hält mich nicht davon ab, Einwanderern ehrenamtlich ein paar Italienischstunden pro Woche zu geben.
Ja natürlich, ich erinnere mich sehr gut. Ich sah ihn ganz vorn sitzen, er sah mich sehr interessiert an und folgte meinem Unterricht mit hoher Konzentration. Keine Ahnung, warum er in mir die Erinnerung an die Sahara wachrief. Er war phantastisch, auf alle Fragen antwortete er unglaublich schnell:
»Wann bist du nach Italien gekommen?«
»Vor drei
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