Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman
mehrmals wegen unseres einzigen Sohnes Pippo gestritten, weil sie meint, dass ich ihn darin bestärke, die Schule zu schmeißen. »’A scema«, sag ich dann zu ihr, »wie beschränkt bist du denn? Du glaubst noch an die Schule? Siehst du nicht, was abgeht an den Schulen? Da wird gekillt, vergewaltigt und entführt!« Sie hat geantwortet, dass man all das bloß im Kino sieht und in gewissen Schwarzenschulen in den Vereinigten Staaten. Dann hab ich gesagt: »Schatzi, jeder weiß doch, dass wir alles nachahmen, was aus Amerika kommt. Nicht mehr lange und sie übertragen live im Fernsehen, wie Schüler – kleine Monster, schreiben sie in den Zeitungen – auf dem Schulhof Morde begehen.« Es ist mein Recht, meinen Sohn so zu erziehen, wie ich will. Mir liegt seine Zukunft mehr am Herzen! Und außerdem verdienen Fußballspieler Millionen, wohingegen Akademiker die Schlange der Arbeitslosen bloß verlängern. Nein, die Schule taugt nichts. Das ist echt ’ne Zeitverschwendung.
Als kleiner Junge ging ich mit Onkel Carlo zu den Heimspielen der Roma ins Stadion. Er war ein Fan von Manfredini Pedro Waldemar, genannt Piedone, Fußlulatsch, weil er Schuhgröße 46 hatte. Wann immer er konnte, brachte Onkel Carlo an, dass »’n Derby ohne Piedone wie ’n Film von Sergio Leone ohne Clint Eastwood« ist. Piedone war einmalig! Und natürlich muss ich hier festhalten, dass Piedone aber auch gar nichts zu tun hat mit dem Manfredini, den sie Gladiatore nannten. Dass das mal ganz klar ist und wir hier nichts durcheinanderbringen.
Und dann bestreite ich ja überhaupt nicht, dass ich mit dem Gladiatore auch Händel hatte, wie alle Hausbewohner. Der provozierte alle mit seinem erbärmlichen Benehmen. Er fand es zum Beispiel ganz toll, schmutzige Sachen in den Aufzug zu malen und vulgäres Zeug und Beleidigungen gegen die Roma reinzukritzeln. Ich hab ihn gewarnt, aber der Betonkopf hat weitergemacht. Ich habe es schon mal gesagt und dabei bleibt es auch: Amedeo hat mit dem Mord da gar nix zu tun. Ich bin absolut sicher, dass er unschuldig ist. Dafür lege ich meine Hände ins Feuer.
Achter Wolfsgesang
Donnerstag, 27 . März, 22 . 39 Uhr
Heute Morgen habe ich den Inhaber der Dandini-Bar kennengelernt. Er heißt Sandro und ist so um die fünfzig. Er sagte, Rom sei das Gedächtnis der Menschheit und die Stadt, die uns jeden Morgen lehre, dass das Leben ein ewiger Frühling und der Tod eine vorbeiziehende Wolke sei. Rom habe den Tod besiegt, deshalb der Beiname »Ewige Stadt«. Nachdem Sandro mich nach meinem Namen gefragt und ich »Ahmed« geantwortet hatte, geschah etwas Bemerkenswertes: Er sprach das ohne den Buchstaben H aus, der im Italienischen sowieso kaum vorkommt. Und am Ende nannte er mich Amede’, was ein italienischer Name ist, den man mit Amed abkürzen kann.
Freitag, 27 . Januar, 23 . 42 Uhr
Ich bin zum fanatischen Glaubensanhänger der Triade aus Cappuccino, Croissant und
Corriere della Sera
geworden! Ich liebe Croissants. Sandros Bar ist meine erste Etappe auf dem Weg zur Arbeit, weil für mich ein Cappuccino dasselbe ist wie Benzin für ein Auto: ein unverzichtbarer Treibstoff, um mich für den Tag auf Touren zu bringen. Heute Abend las ich im
Espresso
den Artikel eines Psychologen, der den Leuten empfiehlt, immer mal wieder den Namen zu wechseln, weil dies die unterschiedlichen Persönlichkeiten miteinander versöhne, die wir in uns hätten. Er schrieb, dass Namenswechsel uns helfen würden, besser zu leben, weil sie die Last der Erinnerung leichter machten. Das bedeutet, dass ich vor Schizophrenie sicher bin und durch den Namen Amedeo keinen Schaden nehme. Oder gibt es vielleicht einen unterschwelligen Konflikt zwischen Amedeo und Ahmed? Ich werde ein wenig heulen, vielleicht fällt mir dabei die Antwort ein: Auuuuuuu …
Samstag, 25 . Februar, 23 . 08 Uhr
Sandro hat großen Spaß daran, Quizmoderatoren aus dem Fernsehen zu imitieren. Und ich werde oft zum Kandidaten auf dem Ratestuhl. Bei den Fragen dreht sich alles um die Straßennamen Roms und um die Geschichte. Ich wusste selbst gar nicht, dass ich so viele Informationen über Rom gespeichert habe. Das verdanke ich alles meinen Füßen. Ich liebe es zu gehen, U-Bahn, Bus, Autos und Aufzüge kann ich nicht leiden, ich mag kein Gedränge. Ich gehe gern zu Fuß und genieße die Schönheit Roms in aller Ruhe. Eile ist der Feind der Verliebten. Ich dagegen mag es gemächlich und träume davon, aus allen Brunnen Roms zu trinken und auch die ganz versteckten Winkel
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