Kräuterkunde
hinweggerafft hatte. Erhandelte aus Nächstenliebe und nahm nie Geld für seine Dienste. Dennoch wurde er von erbosten Ärzten wegen Kurpfuscherei angezeigt. Das Gerichtsverfahren löste eine Sympathiewelle für ihn aus, und es kam sogar zu einem Volksbegehren. Die Untersuchungskommission verblüffte er mit seinem beträchtlichen Wissen. Sie hatte keine Wahl, als ihn weiter praktizieren zu lassen.
Zuletzt ließ er sich von seinem Priesteramt entbinden, um nur noch der wachsenden Zahl der Heilung Suchenden mit Heilkräutern und Gebet beistehen zu können.
Maria Treben (1909-1991)
Die umstrittene »Gottesapothekerin« war bis vor einigen Jahren eine typische Grieskirchener Hausfrau, die sich besonders gut mit Kräutern auskannte. Der Pfarrer des Dorfes veranlaßte sie, einige ihrer Kräutererfahrungen für das örtliche Kirchenblatt aufzuschreiben. Diese Beiträge wurden irgendwann zu einer Broschüre zusammengefaßt, und daraus entstand das Buch Gesundheit aus der Apotheke Gottes, das mit über acht Millionen verkauften Exemplaren zu einem Bestseller des Jahrhunderts geworden ist.
Wie konnte dieses Büchlein ohne glänzende Farbfotos und mit recht dürftigem Text ein solcher Mammuterfolg werden? Es ist eben gerade diese Schlichtheit, die die Menschen anspricht. Man braucht kein Pharmakologe oder Mediziner zu sein, um es zu begreifen. Man braucht auch nicht weit zu suchen: Die Heilmittel wachsen unmittelbar hinter dem Haus, auf der Wiese nebenan, am Feldrand oder im nahegelegenen Wald. Mit nur zweiunddreißig Kräutern, die sie in der »Apotheke Gottes« angibt, lassen sich sämtliche Krankheitsdämonen in die Flucht schlagen. Wir würden auch mit noch weniger auskommen, beteuert Maria Treben. Schon sieben oder acht ganz gemeine Unkräuter, wie etwa Brennessel, Schafgarbe, Kamille, Ehrenpreis, Johanniskraut oder Malve, die ja jeder kennt, würden genügen. Es wäre natürlich eine bittere Pille für die Pharmahersteller, wenn da etwas dran wäre.
Von ihrem Erfolg war Maria Treben selbst überrascht. Vorbei war es mit dem ruhigen Familienleben. Sie wurde zu immer mehr Vorträgen vor immer größerem Publikum geladen. Der Terminkalender bestimmte im zunehmenden Maße das Leben der über achtzigjährigen Frau. Mit dem Ruhm wuchs aber auch die Kritik. Ihr wurde vorgeworfen, den Eindruck zu erwecken, daß man auch ohne Arzt und Pharmazeutika auskommen könne, ja, daß einige ihrer Rezepte sogar gefährlich seien. Man hetzte die Massenmedien auf sie. In der Wochenzeitschrift
Stern
bezichtigte sie der Chefarzt eines renommierten Krankenhauses des »verbrecherischen Dilettantismus«. Da sie sich der Kritik nicht stelle, hieß es weiter, wolle sie entweder die Wahrheit nicht wissen oder sie habe von Kräutern und Medizin keine Ahnung.
Die rüstige Alte machte indes unbeirrt weiter. Hatte nicht der von ihr verehrte Pfarrer Kneipp ähnliche Anfeindungen erdulden müssen? Sprachen nicht die wunderbaren Heilerfolge, von denen ihr Tausende geschrieben hatten oder bei Veranstaltungen Zeugnis ablegten, von der Gnadenkraft der Gottesapotheke? Die Kräuterfrau verstand sich als gläubige Christin, die von der Gottesmutter berufen war. Daß daraus ein blühendes Geschäft wurde, war Nebensache.
Die in Böhmen geborene Maria Treben hatte schon von Kindheit an eine innige Beziehung zu Pflanzen. Sie erzählt, daß ihre Mutter eine begeisterte Kneipp-Anhängerin war, die selbstverständlich mit Kräutern hantierte, und daß sie oft einen Förster besuchte, der sie mit vielen Pflanzen bekannt machte. Aber das sind normale Begebenheiten, das genügt nicht, um jemanden zum sendungsbewußten Kräuterschamanen zu machen. Es war vor allem die Vertreibung aus ihrer sudetenländischen Heimat nach dem Krieg (1946), die sie dermaßen in ihren Grundfesten erschütterte, daß sich der Riß in ihrer Seele auftat – der Riß, der es den Pflanzenengeln ermöglicht, mit einem Menschen zu kommunizieren. Eine »einjährige Irrfahrt« durch mehrere Flüchtlingslager brachte sie schließlich nach Österreich.
1947 erkrankte die halbverhungerte Flüchtlingsfrau. »Es ging mir jeden Tag schlechter … Ich war kaum mehr ansprechbar … In meinem Dämmerstadium habe ich noch gehört, wie er (der Lagerarzt) sagte: Diese Frau hat Bauchtyphus im letzten Stadium. Damals gab es für die Krankenhäuser keine Medikamente mehr. (Der Arzt) meinte, diese Frau wird uns unter den Händen wegsterben. Es gäbe zwar ein Mittel, den Saft des Schöllkrauts, aber woher man
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