Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kräuterkunde

Kräuterkunde

Titel: Kräuterkunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf-Dieter Storl
Vom Netzwerk:
im kalten, zugigen Keller am Webstuhl. Um der bitteren Armut zu entrinnen, arbeitete er, so viel er nur konnte, gönnte sich nichts und versteckte sein mühsam erspartes Geld unter dem Dach. Er wollte Pfarrer werden, um den Armen zu helfen. Doch dann – er war gerade einundzwanzig Jahre alt – brannte das Haus der Weber ab, samt seinen Ersparnissen. Ihm blieb nur das Hemd und die Hose, die er anhatte. Zum Glück nahm ihn ein Kaplan auf, der es ihm ermöglichte, aufs Gymnasium zu gehen. Doch ausgezehrt von all den Entbehrungen bekam er Bluthusten. Er wurde zusehends schwächer, magerte ab und verbrachte die halbe Zeit im Bett. Der Arzt stellte fest, daß beide Lungenflügel von der Lungenschwindsucht angegriffen waren. Diese Diagnose war ein sicheres Todesurteil. Doch durch Zufall stieß Kneipp kurz darauf auf ein, von einem Johann Sigmund Hahn 1737 verfaßtes, Buch mit dem Titel
Die wunderbare Heilkraft des frischen Wassers bei dessen innerlichem und äußerlichem Gebrauch, durch die Erfahrung bestätigt
. Er sah es als Fingerzeig Gottes und versuchte die darin beschriebene Kur. Nachts, mitten im Winter, ging er dreimal pro Woche zur Donau und tauchte einige Sekunden lang in dem eiskalten Wasser unter. Im Dauerlauf rannte er dann den dreiviertel stündigen Weg zurück in seine Kammer, legte sich in warme Decken gewickelt ins Bett und schwitzte.
    Wie ein echter Schamane heilte er sich selbst. Nicht nur das, er gewann auch an Charakterstärke, und die Heilkraft wurde in ihm erweckt.
    Später als Kaplan half er den ärmsten Kranken, jenen, die die Ärzte schon aufgegeben oder, weil sie nicht zahlen konnten, abgewiesen hatten. Er traktierte sie mit Wassergüssen und Kräutern. »Wer selbst in Not und Elend saß, weiß Not und Elend des Nächsten zu würdigen«, sagte er dazu. Als die Cholera, von Wanderburschen eingeschleppt, im Dorf ausbrach, ging er mit heißen Essigwickeln und heißer Fenchelmilch ans Werk. Kein einziger seiner zweiundvierzig Pfleglinge starb. Nun war er so bekannt, daß es zu Anfeindungen und Anklagen seitens der etablierten Mediziner kam und er die Rüge seines Bischofs hinnehmen mußte. Erst als Prominente, etwa der Erzherzog Joseph von Österreich, den Weg zu ihm fanden und von ihren Leiden geheilt wurden, konnte er ungehindert praktizieren.
    Kneipp legte großen Wert darauf, daß sich die Kranken ihre Heilkräuter selbst sammeln und bereiten. Das Suchen und Sammeln in der Natur, in »des Herrgotts Garten«, und das Zubereiten der Tees, Öle und Kräuterweine wirkt, nach seiner Ansicht, ebenfalls heilend. Er war aus geistiger Einsicht überzeugt, daß »für jede Krankheit ein Kräutlein gewachsen ist!« Heißt es doch in der Heiligen Schrift: »Der Herr läßt die Arznei aus der Erde wachsen, und ein Vernünftiger verachtet sie nicht!« (
Sirach 38, Vers 4
)
Johann Künzle (1857-1945)
    Der Schweizer Kräuterpfarrer Künzle wuchs als jüngster Sohn bitterarmer Kleinbauern im St. Gallener Land auf. Zwei Kühe und fünf Hennen nannten sie ihr eigen. Nur fünf seiner zwölf Geschwister erreichten das reife Alter. Vom Vater, der sich nebenbei als Gärtner verdingte, lernte er viele Pflanzennamen. Als Bauernbub kannte er ohnehin viele alte Kräuterrezepte.
    Später, im zweiten Jahr als Student im Benediktinerkollegium zu Einsiedeln, erkrankte er schwer an einer Lungenentzündung. Das Leiden wurde chronisch und ging allmählich in Lungenauszehrung über. Da ihm die Arzte nicht mehr helfen konnten, heilte er sich – ähnlich wie Kneipp – mit Hilfe seiner geliebten Kräuter selbst. (
Künzle 1982:16
) Um diese Zeit hörte er an einem Ostersonntag im Halbschlaf eine Stimme, die er für die eines Engels hielt: »Zeige den Menschen, was für Wunder gerade die Bergpflanzen in sich tragen!« (
Golowin 1993:34
)
    Künzle, als Vierundzwanzigjähriger zum Priester geweiht, nahm sein Amt ernst. Er stand seiner Gemeinde auch in Krankheitsfällen bei, vor allem dann, wenn die Ärzte keinen Rat mehr wußten. Er vertiefte sein Kräuterwissen durch das Studium des Kneipp-Buches, in dem um die 40 Kräuter angeführt werden, und irgendwann kam ihm bei einer Versteigerung das Kräuterbuch des alten Kräuterarztes Tabernaemontanus (gedruckt 1687) in die Hände. Er vertiefte sich darin und gründete seine Kräutermedizin darauf. Sein Ruf als wundertätiger Kräuterheiler verbreitete sich rasch, nachdem er seine Gemeinde vor der schrecklichen Grippeepidemie bewahrte, die im Jahre 1918 weltweit Millionen Menschen

Weitere Kostenlose Bücher