Kraft des Bösen
Englisch.«
»Einverstanden.« Keine Spur von einem Akzent.
»Wie geht es deinem Vater?«
»Besser als bei unserem letzten Gespräch«, sagte Aaron. »Die Ärzte glauben, daß er diesen Sommer einige Zeit auf der Farm verbringen kann.«
»Gut gut«, sagte Saul. Er betrachtete die drei Dossiers, die sein Neffe auf den Tisch gelegt hatte. Er versuchte, sich eine Möglichkeit auszudenken, wie er die Ereignisse ungeschehen machen könnte, so daß er seinen Neffen nie in die Sache hineingezogen hätte, und dennoch an die Informationen kommen könnte, die Aaron beschafft hatte.
Als hätte er seine Gedanken gelesen, beugte sich Aaron nach vorne und flüsterte drängend: »Onkel Saul, in was bist du da hineingeraten?«
Saul blinzelte. Vor sechs Tagen hatte er Aaron angerufen und ihn gefragt, ob er Informationen über William Borden oder den Verbleib von Francis Harrington bekommen konnte. Das war eine Dummheit gewesen; Saul hatte es viele Jahre lang vermieden, die Familie oder familiäre Beziehungen zu benützen, aber das Verschwinden des jungen Harrington hatte ihm Kopfzerbrechen bereitet, und er war der verzweifelten Überzeugung, wenn er nach Charleston ging, würden ihm entscheidende Informationen über William Borden - über den Standartenführer - entgehen. Aaron hatte ihn über ein abhörsicheres Telefon zurückgerufen und gesagt: »Onkel Saul, es geht um deinen deutschen Offizier, richtig?« Saul hatte es nicht geleugnet. Alle wußten von Sauls zwanghafter Beschäftigung mit einem flüchtigen Nazi, dem er während des Krieges in den Lagern begegnet war. »Du weißt, daß der Mossad nie in den Vereinigten Staaten aktiv werden würde, oder nicht?« hatte Aaron hinzugefügt. Darauf hatte Saul nichts erwidert, und sein Schweigen hatte alles gesagt. Er hatte mit Aarons Vater gearbeitet, als die Iragun Zvai Le’umi und die Hagana illegal und aktiv waren und amerikanische Waffen und Rüstungsfirmen kauften, die Stück für Stück nach Palästina verschifft und zusammengebaut wurden, damit sie bereit sein würden, wenn die arabischen Armeen unweigerlich über die Grenzen des neugeschaffenen zionistischen Staates rollten. »Na gut«, hatte Aaron auf dieses Schweigen geantwortet, »ich werde tun, was ich kann.«
Saul blinzelte wieder, nahm die Brille ab und wischte sie mit einer Serviette klar. »Nu, was meinst du?« sagte er. »Ich war neugierig auf diesen Borden. Francis war einer meiner Studenten. Er ging nach Los Angeles, um etwas über diesen Mann herauszufinden. Wahrscheinlich Scheidungskram, wer weiß? Als Francis nicht rechtzeitig zurückkam und Mr. Borden verunglückt sein sollte, bat mich ein Freund, ob ich weiterhelfen könnte. Da dachte ich an dich, Aaron.«
»Hm-hmm«, sagte Aaron. Er sah seinen Onkel stechend an, schüttelte schließlich den Kopf und seufzte. Er sah sich um und vergewisserte sich, daß niemand in Hörweite saß oder so nahe, daß er über Sauls Rücken sehen konnte. Dann schlug er das erste Dossier auf. »Ich bin am Montag nach Los Angeles geflogen«, sagte Aaron.
»Tatsächlich!« Saul war verblüfft. Er hatte geglaubt, sein Neffe würde in Washington ein paar Anrufe erledigen und die komplizierten Computer benützen, über die die israelische Botschaft heute verfügte - besonders das Büro, in dem die sechs Agenten des Mossad untergebracht waren -, und daß er möglicherweise sogar Einblick in geheime israelische und amerikanische Akten bekommen konnte. Er hatte nicht damit gerechnet, daß der Junge schon am nächsten Tag zur Westküste fliegen würde.
Aaron machte eine Geste mit der Hand. »Kein Problem«, sagte er. »Ich habe wochenlang Urlaub anstehen lassen. Seit wann hast du uns jemals um etwas gebeten, Onkel Saul? Seit ich ein Kind war, hast du uns immer nur gegeben, gegeben, gegeben. Dein Geld aus New York hat mir die Universität von Haifa finanziert, obwohl wir es uns selbst hätten leisten können. Warum sollte ich dir also nicht einen kleinen Gefallen tun, wenn du mich darum bittest?«
Saul rieb sich die Stirn. »Du bist kein James Bond, Moddy«, sagte er und benützte Aarons Spitznamen aus Kindertagen. »Außerdem operiert der Mossad nicht in den Staaten.«
Aaron reagierte nicht. »Es war ein Urlaub, Onkel Saul«, sagte er. »Möchtest du nun hören, was ich im Urlaub gemacht habe, oder nicht?«
Saul nickte.
»Hier hat dein Mr. Harrington gewohnt«, sagte Aaron und schob ein Schwarzweißfoto des Hotels in Beverly Hills herüber. Saul ließ das Bild flach auf dem Tisch
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