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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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ausschaltet. Ich bin schon immer ein großer Fan von Ockhams Rasiermesser gewesen.«
    Natalie lächelte und schwang wieder höher. »Solange man es vorsichtig handhabt«, sagte sie. »Wenn es stumpf wird, kann man sich selbst die Kehle damit durchschneiden.«
    »Mmmm«, sagte Gentry. Er fühlte sich ausgezeichnet. Die Abendluft, das rostige Kindheitsquietschen der Schaukel und Natalies Gegenwart trugen alle dazu bei, ihn glücklich zu machen.
    Natalie hielt wieder inne. »Ich will trotzdem noch mitmachen«, sagte sie. »Vielleicht könnte ich nach Atlanta fliegen und mich um die Sache kümmern, während Sie in Washington sind.«
    »Nur ein paar Tage«, sagte Gentry. »Sie tauchen in St. Louis unter, und ich melde mich bald.«
    »Das hat Saul Laski auch gesagt.«
    »Hören Sie«, sagte Gentry, »ich habe einen Anrufbeantworter. Ich besitze ein Gerät, mit dem ich Nachrichten über Telefon abhören kann, wenn ich nicht nach Hause komme. Ich verliere immer alles, darum habe ich zwei davon. Sie nehmen eines. Ich rufe meine eigene Nummer jeden Tag um elf Uhr vormittags und um elf Uhr nachts an. Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, sprechen Sie es einfach auf Band. Sie können es gleichermaßen abhören.«
    Natalie blinzelte. »Wäre es nicht einfacher, Sie würden mich anrufen?«
    »Schon, aber wenn Sie mit mir Verbindung aufnehmen wollen, könnte das schwierig werden.«
    »Aber . Ihre ganzen privaten Nachrichten .«
    Gentry grinste sie in der Dunkelheit an. »Ich habe keine Geheimnisse vor Ihnen, Ma’am«, sagte er. »Besser gesagt, ich werde keine mehr haben, wenn ich Ihnen den elektronischen Apparatismus gebe.«
    »Ich kann es kaum erwarten«, sagte Natalie.
    Jemand wartete auf sie, als sie zu Gentrys Haus zurückkehrten. In den dunklen Schatten auf der langen Veranda glühte eine Zigarette. Gentry und Natalie blieben auf dem Gehweg stehen, und als der Sheriff langsam die Jacke aufmachte, konnte Natalie den Griff eines Revolvers im Hosenbund sehen. »Wer ist da?« fragte Gentry leise.
    Die Zigarette glühte noch heller, dann verschwand sie, als ein dunkler Schatten aufstand. Natalie umklammerte Gentrys linken Arm, als der große Schatten auf sie zukam und an der Treppe zur Veranda stehenblieb. »Hallo da, Rob«, ertönte eine volle, krächzende Stimme, »schöne Nacht zum Fliegen. Wollte nur fragen, ob du Lust auf einen Flug die Küste entlang hast.«
    »Hallo, Daryl«, sagte Gentry, und Natalie konnte spüren, wie sich der große Mann entspannte.
    Natalies Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, und jetzt konnte sie einen großen, schlanken Mann mit langem Haar erkennen, das an den Seiten grau wurde. Er trug abgeschnittene Jeans, Sandalen und ein Sweatshirt mit der Aufschrift CLEMSON UNIVERSITY in verblaßten Buchstaben.
    Sein Gesicht hatte einen zerfurchten, nachdenklichen Ausdruck, der Natalie an einen jüngeren Morris Udall erinnerte.
    »Natalie«, sagte Gentry, »dies ist Daryl Meeks. Daryl ist Inhaber einer Charterfluggesellschaft auf der anderen Seite des Hafens. Reist einen Teil des Jahres mit einer Rockband, fliegt sie überall hin und sitzt auch am Schlagzeug. Er hält sich für eine Mischung aus Chuck Yeager und Frank Zappa. Daryl und ich sind zusammen zur Schule gegangen. Daryl, das ist Miz Natalie Preston.«
    »Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte Meeks.
    Der Händedruck des Mannes war fest und freundlich und gefiel Natalie.
    »Stellt Stühle zurecht«, sagte Gentry. »Ich geh uns Bier holen.«
    Meeks drückte die Zigarette auf dem Geländer aus und schnippte sie in die Büsche, während Natalie einen Korbsessel herumdrehte, so daß er zur Hollywoodschaukel stand. Meeks setzte sich auf die Schaukel und verschränkte die dünnen Beine, ein Riemen seiner Sandale baumelte dabei nach unten.
    »Welche Schule haben Sie beide besucht?« fragte Natalie. Sie fand, daß Meeks älter als Rob aussah.
    »Northwestern«, sagte Meeks mit seinem freundlichen Krächzen. »Aber Rob hat seinen Abschluß mit Auszeichnung gemacht, während ich abgegangen bin und eingezogen wurde. Wir waren zwei Jahre lang Zimmernachbarn. Zwei ängstliche Jungs aus dem Süden in der großen Stadt.«
    »Hm-hmm, klar«, sagte Gentry, der mit drei kalten Dosen Michelob zurückkam. »Daryl ist schon im Süden aufgewachsen - im Süden von Chicago. Er war nie südlich der Mason- Dixon-Linie, abgesehen von einmal Sommerferien, die er hier bei mir verbracht hat. Er hat guten Geschmack bewiesen, indem er nach seiner Rückkehr aus Vietnam

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