Kraft des Bösen
Jahren Mr. Thorne in der Schweiz entdeckte, reiste ich mit Madame Tremont, und vor ihr mit einem jungen Mann, den ich - voll jugendlicher, seichter Schwärmerei - Charles genannt hatte, nach meinem letzten Beau. Nina und Willi konnten ihre eigene lange Reihe von Handlangern aufweisen, die ihren Höhepunkt in der katastrophalen Erscheinung von Willis beiden letzten Gefährten und Ninas abscheulicher Miß Barret Kramer fanden. Eine solche Konditionierung erfordert Zeit, aber die ersten paar Tage sind kritisch. Der Trick besteht darin, zumindest einen hohlen Kern der Persönlichkeit zu erhalten, aber die Möglichkeit unabhängigen Handelns auszuschalten. Und dann darf das Handeln zwar nicht unabhängig sein, muß aber in dem Sinne autonom bleiben, daß einfache Routineaufgaben und tägliche Verrichtungen ohne direktes >Benützen< angefangen und ausgeführt werden können. Wenn man mit diesen konditionierten Assistenten in der Öffentlichkeit reisen will, muß zumindest ein Simulakrum der ursprünglichen Persönlichkeit erhalten bleiben.
Die Vorzüge einer solchen Konditionierung liegen auf der Hand. Es ist schwierig - fast unmöglich, aber Nina war vielleicht dazu fähig -, zwei Menschen gleichzeitig zu benützen, aber kein Problem, das Handeln zweier konditionierter Handlanger zu koordinieren. Willi war nie mit weniger als zwei seiner >Jungs< unterwegs, und vor ihrer feministischen Phase hielt sich Nina auf Reisen stets in Gesellschaft von fünf bis sechs jungen, alleinstehenden, hübschen Individuen auf.
Anne Bishop, die geradezu begierig war, ihre eigene Persönlichkeit zu unterwerfen, ließ sich leicht konditionieren. In den drei Tagen, die ich mich in ihrem Haus aufhielt, brachte ich sie gründlich auf Vordermann. Vincent war ein völlig anderer Fall. Zwar hatte mein anfängliches >Lehren< jeden freien Willen auf einer höheren Ebene ausgeschaltet, aber sein Unterbewußtsein blieb ein Dickicht von brennendem Haß, Ängsten, Vorurteilen, Begierden und dunklen Zwängen. Die wollte ich nicht auslöschen, boten sie doch Energiequellen, die ich bei späteren Gelegenheiten anzapfen konnte. In den langen drei Tagen des Wochenendes vor Weihnachten 1980 ruhte ich mich in Annes leicht säuerlich riechendem Haus aus, erforschte den emotionalen Dschungel von Vincents dunklem Unterbewußtsein und hinterließ Spuren und Ansätze zur späteren >Benützung<.
Am Sonntag, den 21. Dezember nahm ich ein zweites Frühstück zu mir, das Anne gemacht hatte, und fragte sie nach ihren Freunden, ihrem Einkommen und ihrem Leben. Es stellte sich heraus, daß sie keine Freunde und so gut wie kein Leben hatte. Mrs. Pagnelli, eine Nachbarin hinten an der Gasse, kam ab und zu zu Besuch und kümmerte sich manchmal um Fluff. Als sie die verschwundene Katze erwähnte, traten Anne Tränen in die Augen, und ich konnte spüren, wie ihre Gedanken seitwärts schlitterten wie ein Auto auf dunklem Eis. Ich festigte meinen geistigen Griff und führte sie zu ihrer neuen und allesbeherrschenden Leidenschaft zurück - mich glücklich zu machen.
Anne hatte über dreiundsiebzigtausend Dollar auf der Bank. Wie viele egoistische alte Frauen, die sich dem langweiligen Ende eines langweiligen Lebens nähern, hatte sie jahrzehntelang am Rande der Armut gelebt und dabei Geld, Wertpapiere und Aktien aufgehäuft wie ein zwanghaftes Eichhörnchen, das Nüsse hortete, die es nie essen würde. Ich schlug vor, daß sie in der kommenden Woche die diversen Wertpapiere zu Bargeld machen sollte. Anne hielt das für einen ausgezeichneten Vorschlag.
Wir unterhielten uns gerade über ihr Einkommen, als sie Grumblethorpe erwähnte. »Die Gesellschaft zahlt mir ein kleines Stipendium, damit ich mich darum kümmere, ab und zu kleine Privatführungen mache und danach sehe, wenn es längere Zeit geschlossen ist, so wie jetzt.«
»Was für eine Gesellschaft?« fragte ich.
»Die Gesellschaft zum Schutz erhaltenswerter Baudenkmäler Philadelphias«, sagte Anne.
»Und was für ein erhaltenswertes Baudenkmal ist dieses Grumblethorpe?« fragte ich.
»Ich würde es Ihnen gerne zeigen«, sagte Anne eifrig. »Es ist keinen Block von hier entfernt.«
Ich langweilte mich, nachdem ich drei Tage in Annes engem Haus ausgeruht und die beiden konditioniert hatte. Ich nickte. »Nach dem Frühstück«, sagte ich. »Wenn mir nach einem Spaziergang zumute ist.«
Auch jetzt fällt es mir noch schwer, den Charme und den Widersinn von Grumblethorpe zu beschreiben. Es liegt genau an der gemauerten
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