Kraft des Bösen
ich hab’ nur den Müll rausgetragen, wie Nick es mir normalerweise um Mittag aufträgt. Herrje, wer sind die überhaupt?« Gentry gab dem Jungen sein Geld, ging zu den Waschräumen und rief von einem öffentlichen Fernsprecher aus die Baltimore-Harbor-Tunnelbehörde an. Die Büros waren am Sonntagvormittag geschlossen, aber eine Bandaufzeichnung nannte eine Nummer für Notfälle. Eine Frau mit müder Stimme meldete sich.
»Scheiße, ich sollte Sie gar nicht anrufen, weil sie mich umbringen würden, wenn sie’s wüßten«, legte Gentry los, »aber Nick, Louis und Delbert sind gerade hier losgezogen und wollen die Revolution anfangen, indem sie den Harbor-Tunnel in die Luft sprengen.«
Die Stimme der Frau klang nicht mehr müde, als sie seinen Namen wissen wollte. Gentry hörte im Hintergrund ein Piepsen, als sie ein Tonband einschaltete.
»Keine Zeit, keine Zeit!« sagte er aufgeregt. »Delbert hat die Waffen und Louis hat sechsunddreißig Stangen Dynamit von der Baustelle mitgehen lassen, und die haben sie im Geheimfach im Kofferraum. Nick sagt, daß die Revolution heute anfängt. Er hat ihnen falsche Ausweise und alles besorgt.«
Die Frau krächzte eine Frage, aber Gentry unterbrach sie. »Ich muß hier weg. Die bringen mich um, wenn sie rauskriegen, daß ich gesungen hab’. Sie sind in Delberts Auto ... ein grüner LeBaron Baujahr 76. Nummernschild von Maryland, DB 7269. Delbert fährt. Er ist der mit dem Schnurrbart und dem blauen Anzug. O Gott sie haben alle Waffen, und das ganze Scheißauto ist zum Sprengen verkabelt.« Gentry legte auf, bestellte noch einen Kaffee auf den Weg, bezahlte die Rechnung und ging zu seinem Pinto.
Er war nur wenige Meilen vom Tunnel entfernt und hatte es nicht besonders eilig, dorthin zu kommen, daher fuhr er zum Campus der University of Maryland, schlich mit dem Pinto durch den Louden-Park-Friedhof und fuhr weiter zum Ufer. Wegen des schwachen Sonntagsverkehrs mußte der Chrysler weit hinten bleiben, aber der Fahrer war gut, er verlor Gentrys Auto weder ganz aus den Augen, noch fuhr er auffällig dicht auf.
Gentry folgte den Hinweisschildern zum Thruway Richtung Harbor-Tunnel, zahlte die Gebühr und sah in den Rückspiegel, während er langsam in den beleuchteten Tunnel fuhr. Der Chrysler kam nicht einmal zu den Mautkabinen. Drei Fahrzeuge der Highway Patrol, ein schwarzer Lieferwagen ohne Aufschrift und ein blauer Kombi versperrten ihm fünfzig Meter von der Tunneleinfahrt entfernt den Weg. Hinter ihnen hielten vier weitere Streifenwagen den Verkehr auf. Gentry sah noch, wie sich Männer mit angelegten Schrotflinten und Pistolen über Motorhauben beugten, sah die drei Männer in dem Chrysler mit den Armen zum Fenster herauswinken, und dann fuhr er, so schnell er konnte, damit er aus dem Tunnel kam. Wenn die hinter ihm vom FBI waren, konnten sie sich wahrscheinlich binnen weniger Minuten herausreden. Gott stehe ihnen bei, wenn sie Israelis und bewaffnet waren.
Gentry bog, sobald er den Tunnel hinter sich hatte, vom Thruway ab, verfuhr sich ein paar Minuten in der Innenstadt, orientierte sich neu, als er die Johns Hopkins sah, und fuhr auf dem Highway 1 aus der Stadt. Wenig Verkehr. Er sah ein paar Meilen hinter der Stadt ein Schild Richtung Germantown, Maryland, und mußte in sich hineinlächeln. Wie viele Germantowns gab es in den Vereinigten Staaten? Er hoffte, daß Natalie sich für das Falsche entschieden hatte.
Um zehn Uhr dreißig erreichte Gentry die südwestlichen Ausläufer von Philadelphia und war um elf in Germantown. Von dem Chrysler war keine Spur mehr zu sehen, und wenn ein anderes Fahrzeug die Verfolgung übernommen hatte, stellten die sich so geschickt an, daß Gentry sie nicht im Verkehr bemerkte. Das Chelten Arms sah aus, als hätte es schon bessere Zeiten der Avenue gesehen, würde aber nicht mehr so lange durchhalten, daß es deren Wiederkehr erlebte. Gentry parkte den Pinto einen halben Block entfernt, steckte die Ruger in die Sportjacke und ging zu Fuß zurück. Er zählte fünf Penner - drei schwarze, zwei weiße -, die in Türbögen kauerten.
Miz Preston nahm nicht ab, als die Rezeption oben anrief. Der Portier war ein übereifriger kleiner weißer Mann, der überwiegend aus einer Nase bestand und seine drei verbliebenen Haarsträhnen vom linken Ohr zum rechten Ohr kämmte. Er meckerte und schüttelte den Kopf, als Gentry nach einem Zweitschlüssel fragte. Gentry zeigte seine Marke. Der Portier meckerte wieder. » Charleston? Mein Freund, da
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