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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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oder so?«
    »Nein«, sagte Saul. Er folgte den anderen hinaus und weiter.
    »Das kann unmöglich legal sein«, sagte Tony Harod. Er betrachtete Straßenlaternen, Hochhäuser und Schnellstraßen, die unter ihnen dahinsausten, während sie in einer Höhe von nur knapp hundert Metern dahinbrausten.
    »Polizeihubschrauber«, sagte Colben. »Sondergenehmigung.«
    Colben hatte den Sitz so herumgedreht, daß er sich fast zum Fensterpaneel hinauslehnen konnte, das an der Steuerbordseite aufgeklappt worden war. Kalte Luft strömte herein und bearbeitete Harod und Maria Chen wie unsichtbare Klingen. Colben hielt eine Scharfschützenwaffe Kaliber 30 auf einem speziellen Stativ am offenen Fenster. Die Waffe wirkte mit dem klobigen Nachtzielfernrohr, einer Laserzieleinrichtung und einem übergroßen Magazin unhandlich. Colben grinste und flüsterte ins Kopfhörermikrofon, das man gerade noch unter der Parkakapuze erkennen konnte. Der Pilot schwenkte hart nach rechts und kreiste über der Germantown Avenue.
    Harod hielt sich mit beiden Händen an der gepolsterten Bank fest und machte die Augen zu. Er war sicher, daß nur sein Sicherheitsgurt verhinderte, daß er zum offenen Fenster hinausgeweht wurde und dreißig Stockwerke tief auf die Kopfsteinpflasterstraße stürzte.
    »Roter Führer an Kontrolle«, rief Colben. »Lagebericht.«
    »Hier Kontrolle«, sagte die Stimme von Agent Leonard. »Team Blau meldet vier Autos mit männlichen Hispanos, die auf Chelten und Market in die Sicherheitszone eindringen. Weitere nicht identifizierte Gruppen auf den Gassen hinter >Schloß Eins< und >Schloß Zwei<. Eine Gruppe von fünfzehn nicht identifizierten Schwarzen ist soeben am Team Weiß auf der Ashmead vorbeigekommen. Ende.«
    Colben drehte sich um und grinste Harod an. »Ich glaube, das ist nur ein Scheißbandenkrieg. Bricketts gegen Spanier am Silvesterabend.«
    »Es ist nach Mitternacht«, sagte Maria Chen. »Wir haben schon Neujahrstag.«
    »Wie auch immer«, sagte Colben. »Was soll’s. Sollen sie miteinander kämpfen, solange sie nicht unsere Operation Sonnenaufgang stören. Richtig, Harod?«
    Tony Harod hielt sich fest und sagte nichts.
    Sheriff Gentry atmete keuchend, während er sich bemühte, mit den laufenden Anführern Schritt zu halten. Marvin und Leroy führten eine Reihe von zehn Bandenmitgliedern durch ein dunkles Labyrinth von Gassen, Gärten, abfallübersäten Brachgrundstücken und leerstehenden Gebäuden. Sie kamen zum Eingang einer Gasse, wo Marvin allen winkend bedeutete, sich zu ducken. Gentry konnte einen Lieferwagen sehen, der sechzig Meter entfernt hinter Müllcontainern und baufälligen Garagen parkte.
    »Bundesbullen«, flüsterte Leroy. Der bärtige Jugendliche sah auf die Uhr und grinste. »Wir sind eine Minute zu früh dran.«
    Gentry legte die Arme auf die Knie und schnaufte. Seine Rippen taten weh. Er fror. Er wünschte sich, er wäre zu Hause in Charleston, würde das Dave-Brubeck-Quartett hören und Bruce Catton lesen. Gentry lehnte den Kopf an kalte Backsteine und dachte an etwas, das passiert war, als sie das Community House verlassen hatten, etwas, das seine Meinung änderte, die er von Germantown und >Soul Brickyard< hatte.
    Ein kleiner Junge - nicht älter als sieben oder acht - war angerannt gekommen, als das Team gerade aufbrechen wollte. Der Junge war schnurstracks zu Marvin gelaufen. »Stevie«, hatte der Bandenchef gesagt »ich habe dir gesagt, du sollst nicht hierherkommen.« Der kleine Junge hatte geweint und die Tränen mit dem Ärmel weggewischt. »Mama hat gesagt du sollst sofort nach Hause kommen, Marvin. Mama hat gesagt, sie und Marita brauchen dich zu Hause, und du sollst gleich kommen.« Marvin hatte einen Arm um den Jungen gelegt und war mit ihm ins Nebenzimmer gegangen. Gentry hatte gehört: ». sagst Mama, daß ich gleich morgen früh nach Hause komme. Marita soll daheim bleiben und sich um alles kümmern. Das sagst du ihnen, okay, Stevie?«
    Das hatte Gentry verstört. Bis dahin war die Bande Teil eines fünftägigen Alptraums gewesen, in dem er lebte. Germantown und seine Bewohner waren vollkommen mit der alptraumhaften Abfolge von Schmerz, Dunkelheit und scheinbar zusammenhanglosen Ereignissen verschmolzen, die sich rings um Gentry abgespielt hatten. Er hatte gewußt, daß die Bandenmitglieder jung waren - Jackson war eine Ausnahme, aber der war eine verlorene Seele, ein Besucher, ein Ehemaliger, der zum Ort seiner früheren Umtriebe zurückgekehrt war, weil das Leben ihm keine

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