Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
war, aber die meisten Arbeiter, die Natalie sah, waren sabra - eingeborene Israelis -, so schlank und braungebrannt wie junge Araber.
    Sie ging langsam zum Rain des Feldes und setzte sich in den Schatten eines einsamen Eukalyptusbaums, während eine große Bewässerungspumpe Wasser in einem Rhythmus zu der Feldfrucht beförderte, der in jeder Hinsicht ebenso hypnotisch war wie Sauls Metronom. Natalie zog eine Flasche Bier Marke
    Maccabee aus der Schultertasche und machte den Kronkorken mit dem Dosenöffner ihres neuen Schweizer Offiziersmessers auf. Es war bereits warm, schmeckte aber sehr gut und paßte ausgezeichnet zur für die Jahreszeit ungewöhnlichen Wärme des Tages, dem Geräusch der Bewässerungsanlage und dem Geruch von feuchter Erde und Pflanzenwachstum.
    Beim Gedanken, in die Vereinigten Staaten zurückzukehren, verkrampfte sich ihr Magen, und ihr Puls fing an zu rasen. Natalie besaß nur verschwommene Erinnerungen an die Stunden und Tage nach dem Tod von Rob Gentry. Sie erinnerte sich an Flammen und Dunkelheit und Blinklichter und Sirenen, als wäre das alles ein Traum gewesen. Sie erinnerte sich, daß sie Saul verflucht und nach ihm geschlagen, weil er Robs Leichnam in diesem verwünschten Haus zurückließ, sie erinnerte sich, wie Saul sie durch die Dunkelheit trug, während sie w> gen der Schmerzen im Bein das Bewußtsein verlor und immer wieder zu sich kam wie ein Schwimmer, der zur Oberfläche einer rauhen See aufsteigt und wieder versinkt. Sie erinnerte sich - glaubte sich zu erinnern -, wie der ältere Mann namens Jackson neben ihnen herlief und den reglosen Körper von Marvin Gayle im Tragegriff über die Schultern geworfen hatte. Saul hatte ihr später erzählt, daß Marvin bewußtlos, aber am Leben gewesen war, als sich die beiden überlebenden Paare in dieser Nacht dunkler Gassen und heulender Sirenen getrennt hatten.
    Sie erinnerte sich, wie sie auf einer Parkbank gelegen hatte, während Saul in einer offenen Zelle telefonierte, und dann war es Tag gewesen - fast Tag, eine kalte, graue Dämmerung -, und sie lag im Heck eines Kombis voll fremder Männer, während Saul mit jemandem auf dem Vordersitz saß, bei dem es sich, wie sie später erfuhr, um Jack Cohen handelte, den Chef der israelischen Botschaft in Washington.
    Natalie konnte die achtundvierzig Stunden, die folgten, nicht auf die Reihe bekommen. Ein Motelzimmer. Schmerzstillende Spritzen für ihren gebrochenen Knöchel. Ein Arzt, der ihn mit einem seltsamen, aufblasbaren Verband schiente. Sie weinte um Rob, rief seinen Namen im Schlaf. Schrie, als sie sich erinnerte, mit was für einem Geräusch die Kugeln in den Mund des weißen Ungeheuers Vincent eindrangen, als sie die graurote Schliere der Hirnmasse an der Wand vor sich sah. Die irren Augen der alten Frau, die sich bis in Natalies Seele zu brennen schienen. »Leb wohl, Nina. Wir werden uns wiedersehen.«
    Saul sagte später, daß er in seinem ganzen Leben noch nie härter gearbeitet hatte als in den ersten achtundvierzig Stunden des Gesprächs mit Jack Cohen. Der weißhaarige Agent mit dem vernarbten Gesicht hätte die ganze Wahrheit niemals akzeptieren können, und doch mußte er ihm die Essenz dieser Wahrheit durch gezielte Lügen vermitteln. Letztendlich glaubte der Israeli, daß Saul, Natalie, Aaron Eshkol und der vermißte Chef der Dechiffrierabteilung, Levi Cole, in etwas Großes und Tödliches verstrickt worden waren, etwas, in das höchste Kreise in Washington und ein flüchtiger Ex-Standartenführer der Nazis verwickelt waren. Cohen bekam wenig Unterstützung von seiner Botschaft oder seinen Vorgesetzten in Tel Aviv, aber am Sonntag, dem 4. Januar, fuhr der Kombi mit Saul, Natalie und zwei in Amerika geborenen israelischen Agenten über die Peace Bridge von Niagara Falls, New York, nach Niagara Falls, Kanada. Fünf Tage später flogen sie mit ihren neuen Identitäten von Toronto nach Tel Aviv.
    Die folgenden zwei Wochen brachten für Natalie wenig Positives. An ihrem zweiten Tag in Israel verschlimmerte sich der Zustand ihres Knöchels unerklärlicherweise, sie bekam Fieber und bekam den Flug an Bord eines Privatflugzeugs nach Jerusalem kaum mit, wo Saul alte Kommilitonen um Gefälligkeiten bat und ihr ein Privatzimmer im Hadassah-Hebrew Medical Center verschaffte. Saul selbst wurde in dieser Woche am Arm operiert. Sie war fünf Tage dort, und an den letzten drei Tagen schleppte sie sich mit Krücken in die Synagoge und betrachtete die von Marc Chagall geschaffenen

Weitere Kostenlose Bücher